Geschichten aus dem Lande und der Welt
Auf ganz besonderen Wunsch einer einzelnen Dame sollte ich heute nochmals über die HRE bzw. Anne Will schreiben, was beides deren, also der Dame, Unmut, Übelkeit und Gehirnschrumpfung verursacht, worauf sie sich nicht einlassen mag. Ich empfehle dieser Dame, sie soll auf Anne-Will-Entzug gehen und schreibe stattdessen über die Steuer, die in diesen Tagen ein großes Thema ist. (Die HRE hebe ich mir bis zum Ablauf der Frist auf; mal sehen, wie die Herrschaften mit den unbeugsamen Aktionären dann tatsächlich umgehen.)
Die Steuer also. Großes Thema zu einer Zeit, in der wir aus Brüssel hören, dass nach einer überschaubaren Anzahl von Jahren, in denen Deutschland die Stabilitätskriterien erfüllte, es nun wieder abwärts geht.
Die Union brachte, ungeachtet der bekannt sein sollenden Misere, einen Entwurf ein, demzufolge man - wie in manchem Jahr zuvor - über Steuersenkungen nachdenkt.
Die Grünen, nicht zu Unrecht, plärrten dagegen, dass angesichts der Kosten für so manches Rettungspaket nicht die Zeit sei für Steuersenkungen und man lediglich befürchten müsse, weitere, ganz massive Einschnitte bei den Sozialleistungen würden schlussletztlich dafür herhalten müssen, ebendie, die Steuersenkungen, zu finanzieren.
Und alle anderen ... sagten, was sie immer sagen.
Tatsache ist, dass mit Steuersenkungen, so weiss ich es aus der Tagesschau (jaja, Leute, schaut mehr Nachrichten; das bildet) nie, aber auch nie, der Mittelstand gemeint ist. Nicht mal dann, wenn er neuerdings wieder Lohn- und Gehaltserhöhungen kriegt, was ja jahrelang "Pfui!" war. Es sind die Ganz-Niedrig- und die Ganz-Viel-Verdiener, die von Steuersenkungen profitieren. Die dazwischen, einst Säulen der Gesellschaft, sinds zwar immernoch, aber auch schön dumm dran. Denn ihre hart umkämpften, lange erwarteten usf. Lohn- und Gehaltserhöhungen werden durch die sogen. "kalte Progression" mehr als nur aufgefressen. Soll heissen: Gerade in den Mittelschichtseinkommen passiert es viel schneller als in anderen Einkommensbereichen, dass man mehr verdient und weniger ´rauskriegt.
So sind es also Sie und ich Mittelschichtler, der all die Rettungspakete etc. finanziert, keineswegs die Großen oder Kleinen. Mit dieser schönen Erkenntnis schauen wir doch viel, viel aufmerksamer auf den Fortgang der HRE. Denn schließlich warens mit ziemlicher Sicherheit wir, die die 100 ... ääh, 102 Milliarden hingelegt haben, die bei den HRE-Aktionären nun neue Begehrlichkeiten wecken.
erphschwester - 5. Mai, 17:10
So hört man es, zwar nicht wörtlich, aber doch ziemlich direkt aus dem Munde dieses Mannes, der es ein Unding findet, enteignet zu werden.
Mr.Flowers, Harvard-Absolvent und Mathematiker sollte es allerdings besser wissen. Denn man muss nicht Mathematiker sein, um festzustellen, dass man das, wessen man enteignet werden soll, eigentlich schon längst verloren hat.
Mr. Flowers, für die, die ihn nicht kennen (und das dürften einige sein, denn wer von uns bewegt sich schon in der Hochfinanz?) ist Hauptaktionär der HRE und trat bis vor kurzem als Berater auf.
Jetzt braucht er selbst Beratung. Denn eine verlorene Milliarde ist kein Pappenstiel, vom beschädigten Image gar nicht zu reden.
So betrachtet, ist da kein Grund zur Klage, für Flowers nicht und auch nicht für die allerhand anderen Investoren der HRE, die nur deswegen überhaupt noch einen Wert hat, weil schon dreistellige Millionenbeträge des Bundes in ihr drin stecken. Aber das ist ihm nicht genug. Vielmehr würde er gern entschädigt werden. So jedenfalls muss man es nennen, wenn einer für seine ins Uferlose abgestürzten Aktien nunmehr den dreifachen Wert erhalten will.
Davon abgesehen, dass das mit freiem Finanzmarkt nicht mehr viel zu tun hat - und den wollten doch alle die ganze Zeit -, ist es schlichtweg eine Unverschämtheit und nicht zu finanzieren. Nicht, wenn alle anderen Aktionäre hernach gleiches begehren, womit man würde rechnen können.
Ob es nun am erfolgsverwöhnten Harvard liegt oder aber daran, dass man beim Rechnen mit den grossen Zahlen solche Kleinigkeiten wie Moral und Anstand schon mal aus den Augen verlieren kann - mich jedenfalls erinnert das an viele, viele andere Manager der Neuzeit, die für ihre Misserfolge regelmässig noch sattsam entlohnt werden wollen.
Aber vielleicht verwechsle ich auch den Schauplatz? Vielleicht tut Flowers nichts anderes als er die ganze Zeit schon getan hat: Er pokert und schaut, was dabei ´rauskommt, wenn man das böse "E-Wort" auf den Tisch wirft.
erphschwester - 3. Mai, 17:17
Hat der aber die Woche gegrinst!
Nicht wie der Mehdorn abserviert, nene!
Unersetzlich habe er sich gemacht, obschon noch zum Wochenbeginn so ein SPD-Fritze seinen Rücktritt forderte. Was nicht besonders mutig war angesichts der Tatsache, dass 2010 sowieso Schluss gewesen wäre.
Stattdessen also, wie gesagt, unersetzlich. So wie Ackermann ist eben nur Ackermann.
Und dass er nun, in Zeiten der Krise alles genauso macht wie vorher ... was solls? Der Erfolg gibt ihm ja Recht. Meinen wenigstens die, die für seine Wiederwahl waren, nachdem er sich gnädigerweise in Ermangelung eines passenden Nachfolgers bereit erklärt ...
Aber machen wir uns nichts vor: es hat ihm Spaß gemacht, ganz furchtbaren. Weil ... richtig frech ist immer viel, viel besser als nur ein bisschen. Und da er, wie die Vergangenheit gezeigt hat, eh viel frecher ist als nur ein bisschen, konnte er noch tüchtig einen drauf setzen.
Vergessen auch, dass es Herr Ackermann war, der von allen Bankern am Lautesten nach einem staatlichen Hilfepaket gerufen hat. Die anderen hielten sich verschämt zurück und hatten noch nicht kapiert, dass man alles, aber auch alles machen kann. Nur dafür schämen darf man sich nie.
Man kann über das Schämen reden, wie Ackermann das auch getan hat (sagte er doch, er würde sich schämen, wenn man in der Krise Staatsgelder annehmen würde), aber sich wirklich schämen ... nicht mal dann, wenn man das Geld gebraucht hätte. Es ist ja noch mal gut gegangen. Aber wenn nicht, wärs auch nich schlimm gewesen.
Und weil das so ist, macht man fröhlich weiter wie bisher. 25% Rendite und die endgültige Entscheidung, dass man die Privatkunden nicht braucht, um Geld zu machen. DIE sollen bezahlen, wenn es schief geht und müssen dann nicht mal Kunden sein, sondern einfach nur Steuerzahler. Das richtige Geld verdient man ja doch nur mit denen, die schon welches haben.
erphschwester - 2. Mai, 18:32
Herr Clement, Wolfgang (meine Leser kennen ihn sattsam, obschon er langsam in Vergessenheit zu geraten scheint), hat sich gerächt; an seinen ehemaligen Mitgenossen (ein bißchen) und am System (ganz dolle).
So jedenfalls erfahren wir es aus der "Jungen Freiheit", der wir auch den Titel verdanken. Der wiederum, der Titel, geht auf Carl Schmitt zurück, den mit der "Jungen Freiheit" verbindet, dass beide auch lange nach dem nur zwölf Jahre dauernden "1000jährigen Reich" selbigem noch anhä/ingen und vieles von damals ganz prima fi/anden.
Aber nicht darüber wollten wir reden, sondern über das neue Buch vom Herrn Clement, mit dem er Abrechnung gegen alles und jedes betreibt. Clement wendet sich, nach einem kurzen Seitenhieb gegen seine Partei, gegen die Bürokratie im Allgemeinen, der es zu "verdanken" sei, wenn sich in Deutschland nichts mehr bewegt. Womit, das wird jetzt mancher denken, er ja nicht Unrecht hat. Es wäre übrigens falsch, die Bürokratie als sich verselbständigt habendes Konstrukt anzusehen. Nein, es hat seine Verkörperung in jenen (von Schmitt "Herren der Korridore" genannten) Herrschaften, die früher den Zugang zum Herrscher blockierten, inzwischen jedoch darüber wachen, wer wann welche Informationen erhält, damit diese in seine Entscheidungsfindung einfliessen können. Womit sich die Begegnung mit Schmitt auch schon erledigt hätte, denn Schmitt - wir erinnern uns - hing dem nationalsozialistischen System an und war demnach freien Wahlen und der Mitbestimmung des Volkes nicht sonderlich zugetan. Insofern bedurfte das Volk auch keiner Informationen, um Entscheidungen treffen zu können. Was heute, wenn auch nur wenig, anders ist.
Zumindest sollte der soziale Friede halbwegs gesichert sein. Und das ist er dann, wenn die Einschätzung der Lage mit den getroffenen Maßnahmen im Einklang steht. Man erwartet allgemein, dass "etwas getan" wird. Ob das gut, richtig und der Sache dienlich ist, weiss man immer erst hinterher, auch wenn im Falle des Misserfolgs alle es schon immer gewusst haben wollen. Wer auch würde zugeben, dass die Einschätzung der Lage sich ihm von vornherein entzogen hat? Das käme ja einem Dummheitsbekenntnis gleich. Und dumm will in einer vermeintlichen Informationsgesellschaft niemand sein, seien die zur Verfügung stehenden Informationen so gewollt in die Welt gesetzt wie auch immer.
Tatsache ist, dass das gemeine Wählervolk die getroffenen oder zu treffenden Maßnahmen zumindest mental mittragen muss, damit eine Art von sozialem Frieden aufrecht erhalten bleibt. Andernfalls müsste man damit rechnen, dass ein ärgerliches Volk auf die Straße geht und unfriedlich demonstriert, womöglich gar (im gesitteten Deutschland kaum vorstellbar!) Regierungsgebäude stürmt und so fort.
Das zu verhindern, braucht es die richtige Information. Schon dunnemals unter K.Schröder wurde die mangelnde "Kommunikation" der Hartz-Gesetze vor deren Einführung beklagt. Soll heissen: Hätte man´s ihnen rechtzeitig erklärt, so ganz richtig, wären sie gar nicht erst auf die Straße gegangen. Aber es ist ja damals noch mal gut gegangen!
Tatsache ist im übrigen auch, dass da eine Gratwanderung stattfindet: Was eigentlich wollen die "Leute"? Wollen sie wirklich und wahrhaftig Freiheit (mit all ihren Konsequenzen) oder lieber, dass "im Fall des Falles" alles in ihrem Sinne geregelt ist?
Ahja, natürlich! Sie wollen beides, ganz klar, und erkennen nicht, dass beides nicht geht.
Haben wir doch gesehen, sogar am Beispiel der derzeitigen Misere!
Als alles noch nett aussah, rief jeder nach der "Freiheit des Marktes". Der nämlich würde sich, ließe man ihn nur, schon selbst regulieren. Er hat sich dann, wie wir wissen, zu Tode reguliert, weil dummerweise nicht die Vernunft (zum Beispiel in Bezug auf erzielbare Renditen) herrschte, sondern nur noch Gier. Hernach wurde der Ruf nach der "Gesellschaft" laut (wer auch immer das ist; WIR natürlich), die - bittschön! - die Resultate dieses Freiheitsquatsches wieder in Ordnung bringen sollte. Wobei man den Quatsch nicht "Quatsch" nannte, sondern "unvorhersehbare Unwägbarkeiten". Da WIR die Gesellschaft sind (also jeder, der so blöde ist, noch irgendwas in dieses System einzubezahlen), sind auch WIR es, die nun Einsicht in die Notwendigkeit zu zeigen haben. Plötzlich nennt man es nicht mehr Freiheit (das hieße ja z.B., dass WIR uns dieser Bezahlerei entziehen könnten), sondern Überleben-Wollen. Und wenn alle Stricke reissen, werden unser aller Kinder herbei zitiert, die für den Ganzen Schmonsens später zahlen müssen, wenn wir´s nicht heute tun. Wer kann das schon wollen?
Die Sache mit der Freiheit ist also ein alter Hut. WIR sind so frei, wie es gerade eben passt, mehrheitlich nicht sonderlich. Und der MARKT(!), (Wer ist das?!), ist so lange frei, wie es etwas einbringt. Sobald der Markt Verluste verzeichnet, will er gar nicht mehr frei sein und ruft nach der Bürokratie, die flugs mal eben zweistellige Milliardenbeträge aus dem Ärmel schüttelt und das Kurzarbeitergeld verlängert, um in aller Unfreiheit den maroden Markt vor dem Kompletteinsturz zu bewahren. Er könnte ja, wenn WIR die Misere ausgebügelt haben, durchaus wieder ganz einträglich werden und dann auch wieder frei sein wollen.
WIR währenddessen, die wir schon immer für alles Mögliche gezahlt haben, haben den 1.Mai, den einzig sanktionierten (Kampf- und) Feiertag für Werktätige und solche, die es gerne wären. Heute. Die mit Arbeit gehen (die Sonne kommt gerade durch) wandern, weil Feiertag ist und sie an diesem einen Tag eben mal nicht arbeiten müssen und sich entspannen wollen. Die anderen ohne Arbeit gehen (der Nebel ist weg) auch wandern, um einmal von ihrer Misere gedanklich weg zu kommen.
Im Wald vermischt sich das alles. Die ohne Arbeit können sich einen Moment lang einbilden, sie wären nicht anders als die mit Arbeit. Und die mit Arbeit können für einen Tag vom Sabbatjahr träumen, das sie bitter nötig hätten.
Da draussen im Wald fügen sie sich mehr oder weniger harmonisch in die Natur ein. Sie versinken sozusagen in ihr. Man sieht sie jedenfalls nicht.
Man stelle sich nur mal vor, all die Leute, die heute wandern, gingen hin zu Regierungsgebäuden oder vielleicht auch nur an die Orte, an denen sich gemeinhin die arm gewordenen Vertreter des Marktes aufhalten. Und würden ihnen, da angekommen, sagen, dass sie ihren freiheitlichen Scheiß allein in Ordnung bringen sollen und dass ihr Haus und ihr Konto nun denen gehört, die für den Quatsch bezahlen werden.
Man stelle sich das bloß mal vor!
PS: Herr Clement übrigens, enttäuscht von der deutschen Bürokratie, wie er nun einmal ist, ist seinem ehemaligen BuKa gefolgt und berät nun, ebenso wie der, die russische Ölindustrie. Das ist vielleicht ein Schritt weg von der Bürokratie, aber mit Freiheit hat das auch nix zu tun.
erphschwester - 1. Mai, 17:17
Ich soll über Optimismus schreiben, wurde mir gesagt. Nicht optimistisch, sondern über Optimismus. Am besten den in unserer Gesellschaft oder so.
Als ob ich für so was der richtige Ansprechpartner wäre!
Ja, Himmel! Worüber denn soll man da schreiben? Gerade heutzutage!
Über Bad Banks, die Steuergelder auffressen?
(Die sind gut; da räumen sie den Müll hin.)
Über steigende Inflationsraten?
(Das ist gut, dadurch normalisiert sich das Ganze.)
Über sinkende Zinsen?
(Das ist gut, das kurbelt die Investititonsfreude an.)
Über irgendwann wieder steigende Zinsen?
(Je später, desto besser!)
Über steigende Arbeitslosigkeit, sinkende Sozialleistungen, gesellschaftlichen Rückschritt???
(All das ist gut, weil es hernach wieder aufwärts gehen kann.)
Vielleicht sollte ich wirklich über halb volle Gläser schreiben, die dann wieder ganz und übervoll werden, wenn die Eisberge schmelzen?
Vielleicht sollte ich darüber schreiben, dass die schädliche Wirkung von Videospielen bekämpft wird, sobald auf der Erde das letzte Licht ausgeht?
Vielleicht sollte ich darüber schreiben, dass am Ende irgendwer (Ratten? Insekten?) überlebt, wenn die Menschheit nicht mehr ist?
Dass der Mensch die Erde, die Erde aber nicht den Menschen braucht?
Oh ja! Lasst mich über Optimismus schreiben und dann für ewig schweigen!
erphschwester - 30. Apr, 17:17
Manchmal gibt ein Thema das andere. Und manchmal passt alles zusammen.
Sprach ich doch heute mit einer Freundin über das nicht mehr ganz so neue Recht zur Vaterschaftsfeststellung. Sie wusste von mehreren Fällen zu berichten, in denen Männer von ihrem neuen Recht Gebrauch gemacht und sich selbst damit als Scheinväter identifiziert hatten.
Sie fand es ausnehmend gut, dass der deutsche Scheinvater nunmehr die Möglichkeit hat, seine finanziellen Verpflichtungen für die Kinder fremder Väter hinter sich zu lassen. Dass in dem einen oder anderen Fall die Frauen samt Fremdbrut plötzlich auf der Strasse standen, sei irgendwie nur gerecht und so fort.
Ich hingegen meldete meine Zweifel an hinsichtlich der Gerechtigkeit, weil zumindest die Kinder für den Mutwillen, Betrug oder was auch immer ihrer Mütter ja nichts können. Für die bricht eine Welt zusammen, indem sie nicht nur die finanzielle Basis, sondern auch allgemein den Menschen aus ihrem Leben verlieren, den sie bisher als ihren Vater ansahen.
So weit, so schlecht.
Resümmierend stellten wir fest, dass zumindest die finanzielle Not der Frauen und Kinder nicht so groß sein müsste, hätte man in den vergangenen Jahrzehnten die gesellschaftliche Basis geschaffen, Frauen mit Kindern auch ohne großartige private Netzwerke überlebensfähig zu machen. Denn angesichts einer nunmehr ziemlich genau 40 Jahre währenden umfassenden Frauenbewegung muten die "Erfolge" geradezu lächerlich an. Daran konnte auch Frau von der Leyens Elterngeld nichts ändern. Denn die Kinder in der zivilisierten Welt pflegen das erste Lebensjahr gemeinhin zu überleben. Wo aber "steckt" frau sie dann hin, wenn sie wieder arbeiten gehen will oder muss? Die Betreuungsmisere zieht sich übrigens hin bis zu einem Alter, in dem Kinder eben nicht mehr betreut werden müssen.
Nicht ohne Grund, will mir scheinen, erfuhren die deutschen Scheinväter deshalb so späte Gerechtigkeit. Denn die Manki der Gesellschaft wurden bis dato auf eben deren Rücken ausgetragen. Nun, da im Angesicht der europäischen Rechtssprechung in diesem Zusammenhang und auch der wissenschaftlichen Möglichkeiten eine Rechtsänderung unumgänglich schien, sieht man sich in der Situation, dass - wie so oft - die gesellschaftenlichen den wissenschaftlichen Möglichkeiten hinterherrennen und die Allgemeinheit hierfür aufkommen muss.
So müssen wir jetzt tun, was längst schon fällig war: Die Frauen stärker, unabhängiger und selbständiger machen, damit sie im immer häufiger werdenden Ernstfall ihre Kinder allein durchbringen können.
Nicht, dass man das nicht wüsste. Man müht sich redlich, in kleinen Schritten und auch erst seit ein paar Jahren wirklich. Und eine der Maßnahmen ist der Girls-Day.
Sie wissen nicht, was das ist? Da befinden Sie sich, je nach politischer Grundausrichtung, in guter oder eben nicht so guter Gesellschaft. Ich erlaube mir, das Tagesschau-Blog vom 24.04. zu zitieren:
Ein Nachtrag zum “Girls’ Day” gestern: Linksparteichef Oskar Lafontaine ist zu Gast im Videochat von tagesschau.de im ARD-Hauptstadtstudio. Kommt die Frage von Userseite, ob er den Girls’ Day unterstütze. Antwort Lafontaine: Um antworten zu können, müsse er erst mal wissen, was das sei.
(Bewusst zitiere ich, statt zu verlinken, weil wir doch nicht vom Thema abkommen wollen.)
Der Girls-Day, für die Nichtwisser, wendet sich an die Mädchen in den höheren Schulklassen und stellt ihnen, fernab von den klassischen Geringverdiener-Frauenberufen, technisch-naturwissenschaftliche Studiengänge und Berufe vor. (Für die Jungs, damit hier Geschrei erst gar nicht aufkommt, gibts inzwischen das Pendant "Wege für Jungs", in denen selbige sich für den Kindergärtner-Beruf o.ä. interessieren dürfen.) Den Girls-Day gibts alle Jahre wieder und das schon seit 2001, übrigens auch im Saarland, wie sich leicht ergoogeln lässt. Dass Herr Lafontaine den nicht kennt, mag daran liegen, dass seine Frau, Christa Müller, die nicht nur den Unterschied zwischen Genitalverstümmelung und Kinderkrippen nicht kennt, sondern auch nicht sonderlich Linken-förderlich in der Öffentlichkeit auftritt, genug Geld für ein Kindermädchen hat.
Auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (das mir zunehmend als Staatsfernsehen erscheint) müht man sich inzwischen redlich um einen Sinneswandel. Da gibt es neuerdings "Eine für alle", womit nicht der älteste Beruf der Welt gemeint ist, sondern eine offenbar wacker und aufrecht und emanzipiert schweißende Darstellerin, die sich krampfhafte bemüht, weg von ihrem bisherigen Kindchenimage zu kommen. Die soll uns wohl klar machen, dass Frauen allerhand können, nämlich zum Beispiel auch schweißen.
Mich kann sie damit nicht schrecken (nur ab-schrecken), denn Frauen in ölverschmierter Arbeitskluft haben die uns schon vor 40 Jahren in der DDR filmisch serviert, ohne dass wir auch nur mit der Wimper gezuckt hätten.
Da kann man mal wieder sehen, wie sehr der Westen doch in all der Zeit dem Osten hinterher gehinkt ist.
erphschwester - 29. Apr, 22:22
30.04.2005 um 08:38 Uhr
Schily ... die wievielte?... oder: Nur was sich ändert, bleibt sich gleich
von: erphschwester
Der Herr Schily (obwohl hier üblich, ist mir zu diesem Herrn noch nicht die allerkleinste Namensverniedlichung eingefallen; vielleicht, weil an ihm so ganz und gar nichts Niedliches ist?) ist ja nun ein wenig älter geworden. Weswegen er seine Meinung zu diesem und jenem ja im Laufe der letzten Jahrzehnte ganz grundlegend geändert hat. Aber - wer weiß? - vielleicht ist nie auch nur im Mindesten eine Meinung von ihm wichtig gewesen, sondern stets nur der Wunsch, Gegenstand der öffentlichen Wahrnehmung zu sein?
Jedenfalls hat er, so gesinnungsmäßig, den bemerkenswertesten Wandel vollzogen, der mir je untergekommen ist. Sein neuestes Bubenstück: ein weiteres Anti-Terror-Paket, das dem BKA und allen möglichen anderen Leuten noch ein bißchen mehr Befugnisse einräumt, wen auch immer ins Visir zu nehmen. Und damit das alles auch ganz schnell geht, gibt´s noch mehr Dateien und noch mehr Auskunftsrechte und -pflichten. Das Ganze paßt ganz wunderbar in die Rubrik von Bankgeheimnis (das es faktisch nicht mehr gibt) und Versammlungs-Wieauchimmer.
Schließlich und endlich: Ob einer ein Terrorist ist, weiß ich erst, wenn ich bewiesen habe, daß er (k)einer ist. Und vielleicht findet man ja bei der Suche nach Terroristen, die - nebenbei bemerkt - in den letzten Jahren irgendwie nicht so erfolgreich war (was ganz sicher nicht an den fehlenden Möglichkeiten liegt, denn man beachte: Es ist dies das dritte Paket dieser Art, das geschnürt wird) auch manch anderes Unkraut am Wegesrand, dem man gerne beikommen möchte.
erphschwester - 29. Apr, 21:42
... ist eine üble Sache, dachte ich immer. Und natürlich, dass ich nie eine erleben möchte. Also keine wirklich große, schon gar keine Wirtschaftskrise, also eine richtig , richtig große, weil ... durch kleine Krisen schlittern wir ja alleweil. Genau genommen wird die Krise uns ja schon seit Jahren suggeriert.
Da standen sie, die armen Unternehmer, und erzählten uns, auf was alles wir verzichten sollten, damit die Krise gnädig an uns vorbei zieht. Und wir verzichteten, aber nichts zog an uns vorbei. Eine Blase platzte nach der anderen, während wir verzichteten. Und wir fragten uns in aller Arglosigkeit, wie das sein kann, weil wir doch so brav verzichtet hatten. Wir verzichteten weiter, weil man uns sagte, es sei noch nicht genug. Und die Krise wurde größer, also ... so ganz richtig groß.
Schaue ich mich jetzt um, bin ich baß erstaunt: Die Leute kriegen Kinder, was sie sich Jahre lang verkniffen. Die Leute geben Geld aus. Und auch das hatten sie sich versagt. Man müsse doch sparen für schlechte Zeiten.
Jetzt, wo sie da sind, die schlechten Zeiten, hauen alle so richtig auf den Putz. Nicht etwa aus vernünftigen Erwägungen heraus, was ich ja noch verstehen könnte. Gab es doch eine Zeit, in der das in Jahren mühsam ersparte Geld binnen Kürze nurmehr für ein Brot reichte.
Ich glaube nicht, dass viele so weit denken. Ich glaube nicht, dass überhaupt viele noch davon wissen. Es scheint vielmehr in der menschlichen Natur zu liegen, das irgendwann die Langmut vorbei ist. Irgendwann, am besten vor dem ewigen Fegefeuer, wollen wirs noch einmal gut haben und uns fühlen wie einst und sein wie die Vöglein auf dem Feld.
Ich erinnere mich, dass wir damals, als wir uns vor der Neutronenbombe fürchteten, an die sich heute kaum noch jemand erinnert, selbst ein Kind in die Welt setzten und uns zwar sorgten, aber es dennoch taten.
Während wir kleinen, auch irgendwie dummen Leute, uns unser kleines Glück zurecht bauen, sogar sehr gewiss, dass es vielleicht, wahrscheinlich, ganz gewiss nun nicht mehr lange dauern kann, ehe alles zusammen bricht, sind andere zugange, die keinesfalls so klein-klein denken. Die haben das nie getan und lachen sich über unsereinen nicht gerade tot, aber es reicht für dies und jenes müde Grinsen.
Zum Beispiel las ich, dass Herr Mehdorn einen Vertrag bis 2011 hat. Das sind zwei Jahre noch in krisengebeutelten Zeiten. Und weil er den hat, will er auch, dass der erfüllt wird. Komme, was da kommen mag. Da soll keiner fragen, wann und warum der Mehdorn seinen Job verlor. Da soll Recht sein, was auf dem Papier steht, sei es am Ende so unrecht wie auch immer. Und vorher, erinnere ich mich, war da auch schon der Gerster, an den sich vermutlich ausser mir kaum einer noch erinnert. Auch der, gescheiterter Chef aller Arbeitslosen , holte dermaleinst seinen Vertrag aus dem Schubfach und kassierte noch von der Agentur, als er schon lange durch die Lande zog, um gegen ebendie zu wettern. Gar nicht zu reden von Ackermann und Co., die einst dafür absahnten, dass sie die Anleger geschröpft hatten. So etwas solls künftig hin ja nicht mehr geben. (Von den Einschränkungen des Reglements reden wir ein anderes Mal.)
Ich sehe und staune. Aber ... staune ich wirklich?
Wusste ich nicht, dass in all der Zeit, in der man mich zum Maßhalten anhielt, die anderen Maßlosen unterwegs waren und mich belachten?
Wie ein Schaf lasse ich mich zur Schlachtbank führen und freue mich am Sonnenblitzen im Messer, das mir bald schon im Halse steckt.
erphschwester - 27. Apr, 17:12
Stellen Sie sich vor, es ist Kirchenpredigt und Sie müssen nicht mehr hingehen ... weil Sie sie frei Haus geliefert kriegen, ganz in echt.
So geschieht es derzeit in Saudiarabien, wo man nicht nur den Gebetsruf, sondern die ganze Predigt per Lautsprecher überträgt. Für die, die nicht hingehen können.
"Sehr löbliche Sache!", sagen Sie als tiefreligiöser Mensch?
Äääh, nunja, aber was sagt Ihr Nachbar, der vielleicht nicht oder zumindest nicht an diesen Gott glaubt?
Der muss da durch!, wenigstens in Saudiarabien. Denn die Lautsprecher dort haben eine Reichweite von bis zu 5 Kilometern. Im schlimmsten Fall hört man da, wenn man wirklich hingeht, nicht den echten Muezzin, sondern nur den Lautsprecher. Und wenn man, so wie ich, 200 Meter Luftlinie von der Kirche entfernt wohnt, wird man zwangsmissioniert.
Das geht zu weit, sagen nun auch die saudiarabischen Behörden und schicken Lautsprecherkontrolleure los, die das Ganze ein wenig dämpfen sollen.
Ich meine: Einen Dämpfer sollten wir auch hierzulande diesem und jenem nicht nur und noch am wenigsten den Kirchen verpassen.
erphschwester - 26. Apr, 08:38
Man möchte ja meinen, die Welt sei vielfältig und bunt. So sagen die das immer und haben sogar Lieder drüber gemacht. Aber in Wahrheit gibt es so viele Themen nicht, über die man sich auslassen könnte. (Nun gut, man könnte, aber irgendwie wird doch immer nur über das Gleiche geredet.)
Jedenfalls behauptete mein Zeitungshändler heute, dass irgendwann - und zwar bald - alles hier in chinesischer Hand sein würde. Was weder ihn, noch mich sonderlich zuversichtlich stimmte. Schließlich haben die armen gelben Kerlchen ja jetzt nun nicht mehr so dieses Riesenwachstum wie noch vor nicht allzu langer Zeit. Behaupten jedenfalls sie selbst. Sechs Prozent hauen die nicht vom Hocker, weil es ja letzthin noch dreißig Prozent gewesen sind. Bei sechs Prozent kriegt der gewöhnliche chinesische Unternehmer schon Existenzängste und schaut sich um, was anderswo "drin" ist.
Anderswo, das ist sowohl Amerika, als auch Europa, wo man wiederum vor nicht allzu langer Zeit meinte, dass China die Zukunft ist. Die Amerikaner, die es ja mit allem so fürchterlich übertreiben müssen, schickten ihre Kinder schon vor Jahren in englisch-chinesische Kindergärten, damit die Kleinen mal weltmarktfähig sind. Abgesehen davon, dass Zweisprachigkeit nie wirklich schaden kann, fragt sich aber doch, ob sie nicht letztlich aufs falsche Pferd gesetzt haben.
Schließlich geht es ja nicht nur um sinkenden Wachstum (das nennt man wirklich so, auch wenn es ein Widerspruch in sich scheint), sondern um Kompatibilität in manch anderem Bereich. Wir erinnern uns, nicht gerne, aber gezwungenermaßen, an allerhand Firmen, die in China produzieren ließen, weils da so schön billig ist, das Produzieren. Rausgekommen sind: vergiftete Spielsachen und verdreckte Computerchips, um nur zwei Beispiele zu nennen. Womit ich jetzt nicht behaupte, in China seien Gift und Dreck Bestandteile
der Kultur. Aber um billig zu sein, muss man halt dieses oder jenes
Zugeständnis machen. Das war den Firmen, die angesichts der günstigen Produktionskosten Dollarzeichen in die Augen kriegten, nicht wirklich klar. Soll heißen: Gier macht entweder blind oder aber man sieht vor lauter Dollarzeichen nicht mehr die einfachsten Sachen.
Und übrigens wird alles nicht so heiss gegessen, wies gekocht wird. Darauf jedenfalls kamen mein Zeitungshändler und ich im Verlaufe unseres Gespräches. Weil ... vor zwanzig Jahren dachten wir schon mal, die Japaner kommen. Das haben die dann aber hübsch bleiben gelassen und nur ihre Waren her geschickt. Die aber in rauen Mengen. Es gab dann plötzlich Mazda-Vertretungen in allen Ortschaften über 1000 Einwohner oder so ähnlich. Worüber sich bis zur Abwrackprämie kein Mensch so wirklich Gedanken gemacht
hat. Die Leute kaufen ja doch keine deutschen Autos, wenn sie heute kaufen. Übrigens so oder so nicht. Denn Opel zum Bespiel ... aber das wissen Sie ja nun selbst.
Und was die Chinesen angeht: Wunder können die auch nicht vollbringen. Kann ja sein, dass Schröder, Hartz und Co. schon nett vorgearbeitet haben für eine globalisierte Welt. Es geht ja nun nicht an, dass so ein popliger Arbeiter sich einbildet, er müsste annähernd genau so leben wie seine Bosse. Aber man wird es dem deutschen Arbeiter nach allem, was er in den letzten Jahrzehnten erfahren durfte, nur noch schwer vermitteln können, dass er zum Schlafen nach einer Doppelschicht in eine Baracke auf dem Werksgelände kriechen und eine Gemeinschaftstoilette für hundert Leute benutzen soll.
Und solange das so ist, denke ich, werden die Chinesen da bleiben, wo sie sind.
Da können die Unternehmer so neidisch nach China gucken, wie sie wollen.
erphschwester - 25. Apr, 19:53