Freitag, 8. Mai 2009

Berufskunde

Erinnern Sie sich: In der Sesamstraße gibt es ein Spiel, bei dem so ein infantiler Erwachsener singsangt: Eins von den Dingen ist nicht wie die anderen. Und dann müssen die Kinder herausfinden, welches von diesen Dingen das eben ist.

So ähnlich ist das auch mit den Berufen. Davon abgesehen, dass es wirklich sehr verschiendene gibt, solche mit wenig und viel Verdienst, solche mit Kopf- oder Körperarbeit, solche für Geschickte oder eher Kluge, genießen sie auch unterschiedliches Ansehen. Was nicht immer nur eine Frage des Geldes ist.
Der Bankräuber z.B. mag, gemessen am Aufwand, sehr viel verdienen, aber großes Ansehen genießt er nicht. Ebenso der Heuschreckenkapitalist oder die Hure, die man ja heute nicht mehr Hure nennt (obwohl ausgesprochene Profis da gar nicht so viel gegen haben), sondern Prostituierte.

Prostitution, wie wir wissen, war lange Zeit nicht nur geächtet, sondern richtig verboten. Erstaunlich, wie lange sich dieser Beruf dann doch gehalten hat. Eigentlich müsste er längst ausgestorben sein. Erklären lässt sich das vermutlich nur dadurch, dass ähnlich wie gegessen und gestorben auch immer gef... wird. (Schon allein die Tatsache, dass ich dieses Wort hier nicht ausschreiben zu können meine, spricht Bände über die tief verwurzelte Geringschätzung in der Gesellschaft.)
In unserer heutigen aufgeklärten Zeit stellte sich die Frage, wie man des Problems, das loszuwerden nicht recht gelingen wollte, dann doch habhaft werden konnte. Und kam zu dem Ergebnis, dass ein Wertewandel rumdum nur Vorteile habe. Wenn es denn schier unmöglich schien, den Menschen das bezahlte F... abzugewöhnen, musste man aus der Not eine Tugend machen und die Sache legalisieren, in jeder Hinsicht. Nachdem die Huren schon eine ganze Zeit lang Steuern zahlen durften, "erlaubte" man ihnen auch, sich sozial abzusichern. Nun dürfen sie auch Beiträge in alle Kassen zahlen, was im Falle von Krankheit oder Arbeitslosigkeit durchaus nützlich ist.

Nun sind die Damen nicht nur selbst Dienstleister, sondern dürfen auch öffentliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Z.B. die des Arbeitsamtes.
Messerscharf sschloß ein Bordellbesitzer (dessen Bordelle "Oasen" oder so heissen), dass diese Dienstleistungsinanspruchnahme ja dann , logisch, auch für Arbeitgeber in dieser Branche gelten müsse. Und weil er gerade dabei war, ein paar weitere "Oasen" zu eröffnen, erteilte er der Arbeitsagentur einen entsprechenden Vermittlungsauftrag.Das heisst : Er wollte solches tun, wurde jedoch schnöde zurück gewiesen mit der Begründung, sein Anliegen sei sittenwidrig.
"Ja.wie?", fragte sich der Herr. "Meine Damen" (soviel Zeit muss sein!), "Zahlen Beiträge und sollen doch von der Dienstleistung ausgeschlossen sein?"
Das fand er nicht gerecht und ging vor Gericht. Und weil sein Anwalt ein ganz gewitztes Kerlchen war und es schließlich alle wissen wollten, klagte man sich bis ganz oben durch.

Vorm Bundessozialgericht wurde bestätigt, dass es sich bei Prostitution dann eben doch nicht um eine ganz übliche Beschäftigung handelt, auch wenn sie nun als sozialversicherungspflichtig anerkannt wird, und jedenfalls das Arbeitsamt in diesen Beruf nicht nur nicht vermitteln könne, sondern dies auch nicht dürfe. Denn zwischen der Anerkennung als sozialversicherungsblabla-Beruf und der Förderung der Prostitution gäbe es doch noch einen Unterschied.
Etwas süffisant, wie mir schien, merkte der Direktor des betroffenen Amtes an, dass er sich nur schwer vorstellen könne, diesen Beruf zu behandeln wie jeden anderen. Weil das u.a. hieße, man müsse den "Damen" im Bedarfsfalle auch berufsspezifische Fortbildungen angedeihen lassen. (Da stelle sich jetzt jeder drunter vor, was er mag.)
Auch sei es den z.T. doch sehr jungen Arbeitsvermittlern nicht zuzumuten, sich mit der Spezifik des Berufes im Vermittlungsbereich én detail auseinander zu setzen.

Der Anwalt des Oasen-Besitzers kommentierte dazu, dann dürfe man künftig wohl auch keine Fleischer mehr vermitteln, weil vermutlich auch Vegetarier in der Belegschaft seien.

Kurzum: Was auch immer für Spitzfindigkeiten jetzt noch zwischen den Parteien ausgetauscht werden mögen; Prostitution ist und bleibt das Ding, das nicht ist wie die anderen.

Donnerstag, 7. Mai 2009

Unkorrekt

Um unkorrekt zu sein, muss man ja nicht politisch werden. Nicht einmal auch nur in Ansätzen. Hab ich heute gemerkt.

Mensch, da is mir ´was passiert! Also so was aber auch!

Steht da diese Kollegin vor meinem Schreibtisch. Will mich abholen, wie so ungefähr fünf mal am Tag. Dass es nur fünf Mal sind, naja, eine Sache der Erziehung, denke ich mir. Früher hab ichs viel öfter getan. Eigentlich ständig oder eins ums andere Mal. Bis sie dann kamen und sagten, es müsse doch anders gehen, seltener oder besser noch: ganz ohne. Gar nicht zu reden davon, was das an Arbeitszeit kosten würde.
Dabei hätte ich ihnen beweisen können, dass ich es während der Arbeit kann. Vielmehr, dass es meine Arbeit nicht behindert ,gelegentlich sogar befördert. Manchmal geschah es auch ganz von allein. Hernach schaute ich nur erstaunt, dass es auch ohne mein Zutun geht.

Jedenfalls ist es inzwischen verboten. Am Arbeitsplatz. Ich soll ´rausgehen dabei, sagen sie, wenn ich es partout nicht sein lassen kann. Und ich soll mich in der Zeiterfassung ausstempeln. Denn DAS werden sie mir auf keinen Fall als Arbeitszeit durchgehen lassen. Da halfen keine Diskussionen, wie wir sie in der Anfangszeit hatten: Jeder, der ein Schwätzechen hält, einen Apfel isst oder sonst irgendwas tut, das immernoch während der Arbeitszeit geht, kostet mehr Zeit als unsereiner. Sie waren da vollkommen unbeugsam: Nein! Nein! Und nochmals Nein!, sagten sie und meinten, so wolle es das Gesetz.

Ahja, am Anfang wollte es mir gelegentlich immer Mal wieder passieren. Ich wars ja gewöhnt, dass ich dazu nicht vom Schreibtisch weg musste. Ich sagte sogar zu Kollegen, die es immer schon störte: "Hab ich dich hierher eingeladen?"

Aber jetzt? Zwei Jahre nach dem Verbot?
Ich war erstaunt über mich selbst, staunte nicht schlecht, als es nach all dieser Zeit des Verbots doch wieder passierte.
Die Kollegin, die mich abholen wollte, schaute ganz entsetzt, wo ich noch nichts Besonderes dabei fand. Erst als das erste Wölkchen meiner Zigarette aufstieg, verstand ich, was sie meinte: Oh, Mist, das Rauchverbot!

Wie kann man nur so vergessen?

Mittwoch, 6. Mai 2009

Zur Erholung

Politik is doof (sagt eine nicht genannt sein wollende Dame). Immer irgendwie das Gleiche. Eins hängt am anderen und ist ... naja, eben doof.

Lass uns tratschen. Das macht viel mehr Spaß.

Zum Beispiel über den Herrn Rürup (Pardon!), der is weise, also Wirtschaftsweiser und hatte schon hübsche Ideen. Nur, als es um die eigenen Finanzen ging, fehlten ihm nicht nur die Ideen, sondern auch jegliche Weisheit. Da war er wie alle anderen auch, die ein Päckchen Geld auf die Seite gepackt haben: Sie werden nicht nur unvernünftig, sondern gierig. Die Bank ist nun pleite. Und der Herr R.? ... wird wohl nicht verhungern, aber seinen Lebensabend vielleicht etwas sparsamer gestalten müssen.Es sei denn, ihm fielen noch ein paar neue deutschlandumspannende Ideen ein, die möglichst einträglich sind.

Anders war das bei Oma C.
Die hatte ihren Glauben an die Banken längst verloren. Und dachte sich "unters Kopfkissen kann ja jeder". Weshalb sie sich einen ganz schicken Platz zur Aufbewahrung ihrer Ersparnisse ausdachte. In die Tasche von diesem ollen Mantel, glaubte sie, guckt ganz sicher keiner.
Womit sie Recht hatte. Nicht einmal ihre Tochter tat das, als die entschied, man solle sich nun endlich von dem alten Stück trennen. Großes Geschrei bei Oma C., als sie den Verlust bemerkte.
Zum Glück werden heutzutage ja sogar die Kleidercontainer abgeschlossen. Der - wenn auch mit 5000 Euro bescheidene - Lebensabend der Oma C. ist gesichert.

Das jedoch kann Opa Helmut von sich nicht behaupten. Der ist eine arme Seele, die an besagtem Abend gerade mal 12 Euro bei sich trug. Was diese bösen Jungs nicht davon abhielt, ihm die paar Euro abzunehmen, nachdem sie ihn verhauen und auch ein bissel geschnitten haben. Und weil Opa H. in Bezug auf seine ärmlichen Umstände nicht gelogen hatte, waren sie so sauer, dass sie ihn auch noch in ein Dixie-Clo stopften. Bis zum Morgen, als ihn ein Jogger fand, stank Opa H. schon ganz fürchterlich; von der Hose, die wohl nie wieder sauber wird, gar nicht zu reden.

Die Welt is blöd, sag ich dazu nur.
Warum sind die bösen Jungs nich zu dem Rürup gegangen, ehe er das Geld zu Lehman schaffen konnte? Der hätte genug Wechselhosen gehabt, und auf ein bisschen mehr Gestank wärs bei dem auch nich angekommen. Und wech is das Geld jetz sowieso.

Dienstag, 5. Mai 2009

Anne Will und der schleichende Gehirnschwund

Auf ganz besonderen Wunsch einer einzelnen Dame sollte ich heute nochmals über die HRE bzw. Anne Will schreiben, was beides deren, also der Dame, Unmut, Übelkeit und Gehirnschrumpfung verursacht, worauf sie sich nicht einlassen mag. Ich empfehle dieser Dame, sie soll auf Anne-Will-Entzug gehen und schreibe stattdessen über die Steuer, die in diesen Tagen ein großes Thema ist. (Die HRE hebe ich mir bis zum Ablauf der Frist auf; mal sehen, wie die Herrschaften mit den unbeugsamen Aktionären dann tatsächlich umgehen.)

Die Steuer also. Großes Thema zu einer Zeit, in der wir aus Brüssel hören, dass nach einer überschaubaren Anzahl von Jahren, in denen Deutschland die Stabilitätskriterien erfüllte, es nun wieder abwärts geht.
Die Union brachte, ungeachtet der bekannt sein sollenden Misere, einen Entwurf ein, demzufolge man - wie in manchem Jahr zuvor - über Steuersenkungen nachdenkt.
Die Grünen, nicht zu Unrecht, plärrten dagegen, dass angesichts der Kosten für so manches Rettungspaket nicht die Zeit sei für Steuersenkungen und man lediglich befürchten müsse, weitere, ganz massive Einschnitte bei den Sozialleistungen würden schlussletztlich dafür herhalten müssen, ebendie, die Steuersenkungen, zu finanzieren.
Und alle anderen ... sagten, was sie immer sagen.

Tatsache ist, dass mit Steuersenkungen, so weiss ich es aus der Tagesschau (jaja, Leute, schaut mehr Nachrichten; das bildet) nie, aber auch nie, der Mittelstand gemeint ist. Nicht mal dann, wenn er neuerdings wieder Lohn- und Gehaltserhöhungen kriegt, was ja jahrelang "Pfui!" war. Es sind die Ganz-Niedrig- und die Ganz-Viel-Verdiener, die von Steuersenkungen profitieren. Die dazwischen, einst Säulen der Gesellschaft, sinds zwar immernoch, aber auch schön dumm dran. Denn ihre hart umkämpften, lange erwarteten usf. Lohn- und Gehaltserhöhungen werden durch die sogen. "kalte Progression" mehr als nur aufgefressen. Soll heissen: Gerade in den Mittelschichtseinkommen passiert es viel schneller als in anderen Einkommensbereichen, dass man mehr verdient und weniger ´rauskriegt.

So sind es also Sie und ich Mittelschichtler, der all die Rettungspakete etc. finanziert, keineswegs die Großen oder Kleinen. Mit dieser schönen Erkenntnis schauen wir doch viel, viel aufmerksamer auf den Fortgang der HRE. Denn schließlich warens mit ziemlicher Sicherheit wir, die die 100 ... ääh, 102 Milliarden hingelegt haben, die bei den HRE-Aktionären nun neue Begehrlichkeiten wecken.

Dienstag, 5. Mai 2009

Nr.55

40600006

Sonntag, 3. Mai 2009

Ein Gespenst geht um in Europa



So hört man es, zwar nicht wörtlich, aber doch ziemlich direkt aus dem Munde dieses Mannes, der es ein Unding findet, enteignet zu werden.
Mr.Flowers, Harvard-Absolvent und Mathematiker sollte es allerdings besser wissen. Denn man muss nicht Mathematiker sein, um festzustellen, dass man das, wessen man enteignet werden soll, eigentlich schon längst verloren hat.

Mr. Flowers, für die, die ihn nicht kennen (und das dürften einige sein, denn wer von uns bewegt sich schon in der Hochfinanz?) ist Hauptaktionär der HRE und trat bis vor kurzem als Berater auf.
Jetzt braucht er selbst Beratung. Denn eine verlorene Milliarde ist kein Pappenstiel, vom beschädigten Image gar nicht zu reden.

So betrachtet, ist da kein Grund zur Klage, für Flowers nicht und auch nicht für die allerhand anderen Investoren der HRE, die nur deswegen überhaupt noch einen Wert hat, weil schon dreistellige Millionenbeträge des Bundes in ihr drin stecken. Aber das ist ihm nicht genug. Vielmehr würde er gern entschädigt werden. So jedenfalls muss man es nennen, wenn einer für seine ins Uferlose abgestürzten Aktien nunmehr den dreifachen Wert erhalten will.
Davon abgesehen, dass das mit freiem Finanzmarkt nicht mehr viel zu tun hat - und den wollten doch alle die ganze Zeit -, ist es schlichtweg eine Unverschämtheit und nicht zu finanzieren. Nicht, wenn alle anderen Aktionäre hernach gleiches begehren, womit man würde rechnen können.

Ob es nun am erfolgsverwöhnten Harvard liegt oder aber daran, dass man beim Rechnen mit den grossen Zahlen solche Kleinigkeiten wie Moral und Anstand schon mal aus den Augen verlieren kann - mich jedenfalls erinnert das an viele, viele andere Manager der Neuzeit, die für ihre Misserfolge regelmässig noch sattsam entlohnt werden wollen.

Aber vielleicht verwechsle ich auch den Schauplatz? Vielleicht tut Flowers nichts anderes als er die ganze Zeit schon getan hat: Er pokert und schaut, was dabei ´rauskommt, wenn man das böse "E-Wort" auf den Tisch wirft.

Samstag, 2. Mai 2009

Nr.54

406000029

Das Wort zum Sonntach

Hat der aber die Woche gegrinst!

Nicht wie der Mehdorn abserviert, nene!
Unersetzlich habe er sich gemacht, obschon noch zum Wochenbeginn so ein SPD-Fritze seinen Rücktritt forderte. Was nicht besonders mutig war angesichts der Tatsache, dass 2010 sowieso Schluss gewesen wäre.

Stattdessen also, wie gesagt, unersetzlich. So wie Ackermann ist eben nur Ackermann.
Und dass er nun, in Zeiten der Krise alles genauso macht wie vorher ... was solls? Der Erfolg gibt ihm ja Recht. Meinen wenigstens die, die für seine Wiederwahl waren, nachdem er sich gnädigerweise in Ermangelung eines passenden Nachfolgers bereit erklärt ...
Aber machen wir uns nichts vor: es hat ihm Spaß gemacht, ganz furchtbaren. Weil ... richtig frech ist immer viel, viel besser als nur ein bisschen. Und da er, wie die Vergangenheit gezeigt hat, eh viel frecher ist als nur ein bisschen, konnte er noch tüchtig einen drauf setzen.

Vergessen auch, dass es Herr Ackermann war, der von allen Bankern am Lautesten nach einem staatlichen Hilfepaket gerufen hat. Die anderen hielten sich verschämt zurück und hatten noch nicht kapiert, dass man alles, aber auch alles machen kann. Nur dafür schämen darf man sich nie.

Man kann über das Schämen reden, wie Ackermann das auch getan hat (sagte er doch, er würde sich schämen, wenn man in der Krise Staatsgelder annehmen würde), aber sich wirklich schämen ... nicht mal dann, wenn man das Geld gebraucht hätte. Es ist ja noch mal gut gegangen. Aber wenn nicht, wärs auch nich schlimm gewesen.

Und weil das so ist, macht man fröhlich weiter wie bisher. 25% Rendite und die endgültige Entscheidung, dass man die Privatkunden nicht braucht, um Geld zu machen. DIE sollen bezahlen, wenn es schief geht und müssen dann nicht mal Kunden sein, sondern einfach nur Steuerzahler. Das richtige Geld verdient man ja doch nur mit denen, die schon welches haben.

Freitag, 1. Mai 2009

Was die "Herren der Korridore" mit dem 1. Mai verbindet

Herr Clement, Wolfgang (meine Leser kennen ihn sattsam, obschon er langsam in Vergessenheit zu geraten scheint), hat sich gerächt; an seinen ehemaligen Mitgenossen (ein bißchen) und am System (ganz dolle).
So jedenfalls erfahren wir es aus der "Jungen Freiheit", der wir auch den Titel verdanken. Der wiederum, der Titel, geht auf Carl Schmitt zurück, den mit der "Jungen Freiheit" verbindet, dass beide auch lange nach dem nur zwölf Jahre dauernden "1000jährigen Reich" selbigem noch anhä/ingen und vieles von damals ganz prima fi/anden.

Aber nicht darüber wollten wir reden, sondern über das neue Buch vom Herrn Clement, mit dem er Abrechnung gegen alles und jedes betreibt. Clement wendet sich, nach einem kurzen Seitenhieb gegen seine Partei, gegen die Bürokratie im Allgemeinen, der es zu "verdanken" sei, wenn sich in Deutschland nichts mehr bewegt. Womit, das wird jetzt mancher denken, er ja nicht Unrecht hat. Es wäre übrigens falsch, die Bürokratie als sich verselbständigt habendes Konstrukt anzusehen. Nein, es hat seine Verkörperung in jenen (von Schmitt "Herren der Korridore" genannten) Herrschaften, die früher den Zugang zum Herrscher blockierten, inzwischen jedoch darüber wachen, wer wann welche Informationen erhält, damit diese in seine Entscheidungsfindung einfliessen können. Womit sich die Begegnung mit Schmitt auch schon erledigt hätte, denn Schmitt - wir erinnern uns - hing dem nationalsozialistischen System an und war demnach freien Wahlen und der Mitbestimmung des Volkes nicht sonderlich zugetan. Insofern bedurfte das Volk auch keiner Informationen, um Entscheidungen treffen zu können. Was heute, wenn auch nur wenig, anders ist.

Zumindest sollte der soziale Friede halbwegs gesichert sein. Und das ist er dann, wenn die Einschätzung der Lage mit den getroffenen Maßnahmen im Einklang steht. Man erwartet allgemein, dass "etwas getan" wird. Ob das gut, richtig und der Sache dienlich ist, weiss man immer erst hinterher, auch wenn im Falle des Misserfolgs alle es schon immer gewusst haben wollen. Wer auch würde zugeben, dass die Einschätzung der Lage sich ihm von vornherein entzogen hat? Das käme ja einem Dummheitsbekenntnis gleich. Und dumm will in einer vermeintlichen Informationsgesellschaft niemand sein, seien die zur Verfügung stehenden Informationen so gewollt in die Welt gesetzt wie auch immer.

Tatsache ist, dass das gemeine Wählervolk die getroffenen oder zu treffenden Maßnahmen zumindest mental mittragen muss, damit eine Art von sozialem Frieden aufrecht erhalten bleibt. Andernfalls müsste man damit rechnen, dass ein ärgerliches Volk auf die Straße geht und unfriedlich demonstriert, womöglich gar (im gesitteten Deutschland kaum vorstellbar!) Regierungsgebäude stürmt und so fort.
Das zu verhindern, braucht es die richtige Information. Schon dunnemals unter K.Schröder wurde die mangelnde "Kommunikation" der Hartz-Gesetze vor deren Einführung beklagt. Soll heissen: Hätte man´s ihnen rechtzeitig erklärt, so ganz richtig, wären sie gar nicht erst auf die Straße gegangen. Aber es ist ja damals noch mal gut gegangen!
Tatsache ist im übrigen auch, dass da eine Gratwanderung stattfindet: Was eigentlich wollen die "Leute"? Wollen sie wirklich und wahrhaftig Freiheit (mit all ihren Konsequenzen) oder lieber, dass "im Fall des Falles" alles in ihrem Sinne geregelt ist?

Ahja, natürlich! Sie wollen beides, ganz klar, und erkennen nicht, dass beides nicht geht.
Haben wir doch gesehen, sogar am Beispiel der derzeitigen Misere!
Als alles noch nett aussah, rief jeder nach der "Freiheit des Marktes". Der nämlich würde sich, ließe man ihn nur, schon selbst regulieren. Er hat sich dann, wie wir wissen, zu Tode reguliert, weil dummerweise nicht die Vernunft (zum Beispiel in Bezug auf erzielbare Renditen) herrschte, sondern nur noch Gier. Hernach wurde der Ruf nach der "Gesellschaft" laut (wer auch immer das ist; WIR natürlich), die - bittschön! - die Resultate dieses Freiheitsquatsches wieder in Ordnung bringen sollte. Wobei man den Quatsch nicht "Quatsch" nannte, sondern "unvorhersehbare Unwägbarkeiten". Da WIR die Gesellschaft sind (also jeder, der so blöde ist, noch irgendwas in dieses System einzubezahlen), sind auch WIR es, die nun Einsicht in die Notwendigkeit zu zeigen haben. Plötzlich nennt man es nicht mehr Freiheit (das hieße ja z.B., dass WIR uns dieser Bezahlerei entziehen könnten), sondern Überleben-Wollen. Und wenn alle Stricke reissen, werden unser aller Kinder herbei zitiert, die für den Ganzen Schmonsens später zahlen müssen, wenn wir´s nicht heute tun. Wer kann das schon wollen?

Die Sache mit der Freiheit ist also ein alter Hut. WIR sind so frei, wie es gerade eben passt, mehrheitlich nicht sonderlich. Und der MARKT(!), (Wer ist das?!), ist so lange frei, wie es etwas einbringt. Sobald der Markt Verluste verzeichnet, will er gar nicht mehr frei sein und ruft nach der Bürokratie, die flugs mal eben zweistellige Milliardenbeträge aus dem Ärmel schüttelt und das Kurzarbeitergeld verlängert, um in aller Unfreiheit den maroden Markt vor dem Kompletteinsturz zu bewahren. Er könnte ja, wenn WIR die Misere ausgebügelt haben, durchaus wieder ganz einträglich werden und dann auch wieder frei sein wollen.

WIR währenddessen, die wir schon immer für alles Mögliche gezahlt haben, haben den 1.Mai, den einzig sanktionierten (Kampf- und) Feiertag für Werktätige und solche, die es gerne wären. Heute. Die mit Arbeit gehen (die Sonne kommt gerade durch) wandern, weil Feiertag ist und sie an diesem einen Tag eben mal nicht arbeiten müssen und sich entspannen wollen. Die anderen ohne Arbeit gehen (der Nebel ist weg) auch wandern, um einmal von ihrer Misere gedanklich weg zu kommen.
Im Wald vermischt sich das alles. Die ohne Arbeit können sich einen Moment lang einbilden, sie wären nicht anders als die mit Arbeit. Und die mit Arbeit können für einen Tag vom Sabbatjahr träumen, das sie bitter nötig hätten.
Da draussen im Wald fügen sie sich mehr oder weniger harmonisch in die Natur ein. Sie versinken sozusagen in ihr. Man sieht sie jedenfalls nicht.

Man stelle sich nur mal vor, all die Leute, die heute wandern, gingen hin zu Regierungsgebäuden oder vielleicht auch nur an die Orte, an denen sich gemeinhin die arm gewordenen Vertreter des Marktes aufhalten. Und würden ihnen, da angekommen, sagen, dass sie ihren freiheitlichen Scheiß allein in Ordnung bringen sollen und dass ihr Haus und ihr Konto nun denen gehört, die für den Quatsch bezahlen werden.

Man stelle sich das bloß mal vor!




PS: Herr Clement übrigens, enttäuscht von der deutschen Bürokratie, wie er nun einmal ist, ist seinem ehemaligen BuKa gefolgt und berät nun, ebenso wie der, die russische Ölindustrie. Das ist vielleicht ein Schritt weg von der Bürokratie, aber mit Freiheit hat das auch nix zu tun.

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