Montag, 24. Dezember 2007

Heiligabend am Morgen

Munter geworden durch den langhaarigen Nachbarn, der sich wacker ins Einkaufsgetümmel geschmissen hat, wie auch ich es tun sollte, um noch eine Restzutat für die Füllung der Weihnachtsgans zu erstehen. Tagelang hat man den Halbgaren Einkaufen geschickt, um hernach vielleicht doch noch dies oder jenes haben zu wollen. Die Nation verhungert wieder einmal, wahrscheinlich, und das Chaos in der Stadt verspricht perfekt zu werden.

Ja, wir starten groß, mit der Gans, obwohl es doch heißt, daß beinahe ganz Deutschland am Heiligen Abend sich mit Kartoffelsalat und Würstchen begnügt. Es sei so traditionell, sagen sie, daß sie sogar für "unsere Jungs in Afghanistan" Tausende von Würsten (genau: Bockwürsten) geordert haben und wahrscheinlich Tonnen von Kartoffelsalat. Damit sie sich ein bißchen wie zu Hause, ein bißchen wie Weihnachten fühlen können.

Ich kann mich nicht erinnern, zu Hause am Heiligabend je Kartoffelsalat gegessen zu haben. Salat gab´s zu Silvester, so viel steht fest, da aber mit Heringen. Und überhaupt gab´s zu Weihnachten Geschenke, in der Hauptsache Bücher, mit denen man sich nach der Bescherung verkroch. In dieser anderen Welt, in der man als Kind allsogleich verschwand, brauchte es nicht Würstchen und nicht Salat oder was auch immer. Man war schon glücklich, und den Hunger stillte man irgendwann, wenn er zu dringlich sich meldete. Am liebsten mit etwas, das man beim Weiterlesen in der Hand halten konnte.

Da steht sie also,die Gans, draußen in der Küche, und taut seit gestern Abend still vor sich hin. Erinnert einen an jene andere, damals, die noch in trauter Großfamilien-Idylle bereitet worden war und so viel Beifuß enthielt, daß keiner so recht an das Viech ran wollte. Schade ums Fleisch, daß irgendwie bitter durchzogen war von dem, wonach eine Gans angeblich schmecken soll. Wir hatten danach nie wieder eine. Erst wegen dieser dummen Geschmacks-Erinnerung, dann weil es sich nicht lohnte, für nur zwei Leute eine Gans zu machen.

Es lohnt sich immer, denken wir heute. Sind also ein Stück weiter gekommen. Wir werden fressen bis uns die Gans aus den Ohren quillt. Wer weiß, was morgen, nächste Woche oder nächstes Weihnachten ist? Was ich mir heute einverleibe, kann mir morgen keiner mehr weg nehmen. Und sie nehmen einem dieser Tage allerhand weg. Immer ein bißchen mehr. Beinahe unmerklich, aber doch so, daß man sich hin und wieder schmerzlich erinnert, was früher alles ging und heute nicht mehr. Stattdessen überschütten sie uns heute bereits vor dem Aufstehen mit all den unsäglichen Weihnachtsfilmen, die unabdingbar sind. Gar nicht zu reden von dem Bericht aus der Lebkuchenfabrik, die inzwischen längst ihre Maschine auf Österliches umgestellt hat. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Und wer zu spät Lebkuchen kaufen will, kriegt nur noch die ollen Dinger aus dem September.
Sowieso ist ja blöd, wer sich nicht bereits jetzt an den Dingern überfressen hat. Man kauft die Sachen, wenn man sie kriegt und nicht, wenn sie üblicherweise zu kaufen wären. Badeanzüge im Winter und Pelzjacken im Sommer. Und es ist wie mit der Gans: Wir wollen alles, und zwar gleich und aus gutem Grund. Morgen oder nächste Woche gibt´s das vielleicht nicht mehr, nicht so toll und günstig, nicht für unsereinen. Warum also warten?

Warten auf´s Christkind (an das wir Atheisten ja sowieso nicht glaubten; wir wußten immer, daß die Geschenke von den Eltern kamen und nicht von irgendwelchen weiß oder rot bewandeten Zauberwesen) begann früher am 24. um vier Uhr nachmittags. Da begann die heiße Phase. Inzwischen hat sich das Vorwarten schon auf eine Woche verlängert, wie man am Weihnachtsprogramm erkennen kann.
Wenn wir an Weihnachten denken und all die guten Gefühle, die wir dabei haben sollten, denken wir nicht nach über die anderen Sachen, die klammheimlich noch kurz vor Jahresende mit uns gemacht werden. Allenfalls den Lokführern gilt unser Dank: Sie lassen uns bis zu den Heiligen Drei Königen in Ruhe, immerhin. Cindy aus Marzahn stellen wir ab; schlimmstenfalls erinnert sie uns an uns selber. Dafür brauchen wir keinen Fernsehen. Und im andern Fall wollen wir gar nicht drüber nachdenken, daß nicht jeder sich pinkfarbene Klamotten anziehen kann, um der Drohung von HartzIV im Nacken zu entkommen.

Die Gans also. Traditionell sollen Äpfel rein und Beifuß, den - man erinnert sich - wir seit damals für ein Leben lang nicht mögen. Also kein Beifuß, was der Gans keinen Abbruch tut. Aus allzu vielen Kochsendungen (Essen geht immer, wenn auch sonst nichts mehr geht) wissen wir, wie eine Gans auch ohne Beifuß schmecken kann. Den Rotkohl hat man und auch die Kloßmasse. (Kam doch der Halbgare nicht auf die Idee, die Klöße aus den sündteuren Kartoffeln selbst machen zu wollen, weil es irgendwie "echter" ist! Aber wer macht das heute noch? Der große Bruder, seinerzeit, verbrachte ganze Sonntag-Vormittage mit dem Reiben von Kartoffeln und nahm daraus manche Finger-Blessur mit. Die Reibe hatte der Werkzeugmacher-Vater selbst gemacht. Schön scharf! Naja, damals kaufte man die Kartoffeln auch noch zentnerweise und kellerte sie ein. Vermutlich kostete damals ein Zentner so viel wie heute das Kilo. Aus diesem und ähnlichen Gründen ist die DDR ja eingegangen, sagen sie heute gern.)

Also kein Weihnachtsgetümmel. Genervt käme man wieder und würde Tage brauchen, sich davon zu erholen. So tun, als wären die Geschäfte geschlossen. (Was übrigens vernünftiger wäre, ginge es nicht um den "besten Umsatz des Jahres".) Rien ne va plus! Wer jetzt nicht alles hat, wird´s niemals haben. Und sowieso sieht man nur mit dem Herzen gut.
Auch wenn der Schwiegervater (er ist es noch, auch wenn der Mann nun der "Ex" ist.) gestern Abend erstaunt sich gab, weil wir hier und seit Jahren schon die geschenkfreie Zone erklärt haben. Wir sind schon groß und selbst der Sohn glaubt nach der Aufklärung durch die große Schwester schon etliche Zeit nicht mehr an das Christkind, das gerade eben um die Ecke verschwinden gesehen zu haben wir Eltern über Jahre hin behaupteten. Natürlich, gibt der Schwiegervater zu, sei die Sache mit dem Konsum der reine Terror, aber eine Kleinigkeit. Mit welcher Art Kleinigkeiten jedoch sind wir zufrieden heute? Sterne basteln wie früher? Aber wofür? Da sind weder Baum, noch Zweig, an die man sie hängen könnten. Irgendwann, und zwar sehr bald, zerknüllt man diese mit Herzschmerz und Wutausbrüchen gefalteten Gold- und Silberdinger und läßt sie heimlich im Müll versinken. Ballast, den man (käme man auf die Idee, ihn "für den Fall des Falles" aufzuheben) im Bedarfsfall eh nicht wieder findet unter all dem anderen Tand, den man dummerweise schon hortet. Es gibt keinen Platz mehr für Weihnachts- und Ostersachen. Weil da inzwischen etliche neue "Jahreszeiten" dazu gekommen sind, die wir mit ebensolchem Konsum befeuern sollen. Frühlings- und Herbstgarnitur für´s Zimmer. Fasching und Halloween. Wir stürzen uns von einem Höhepunkt des Jahres in den nächsten und haben doch keine Hochgefühle mehr. (Naja, vielleicht noch die Männer, wenn sie beim Kinderkriegen zuschauen dürfen. Kinder, mit denen man dann nicht fertig wird, weil man´s sich irgendwie "netter" vorgestellt hatte. Dann vielleicht doch besser Bungee-Jumping? Wenn das keinen Spaß macht, schmeißt man die voll geschissene Hose weg und versucht zu vergessen.)

Und jetzt, sieh da!, hat sich das Ostkind selbst entlarvt. Weihnachten fängt an, und beinahe hätte ich´s verpaßt, mit "Spuk unterm Riesenrad". Alle Jahre wieder. In jeder Oma schlummert ein Kind. Zum Glück!

Sonntag, 9. Dezember 2007

Kopfstände

Sie haben sich ja in dieser Woche überschlagen, unsere Herren Politiker:
Der Schäuble will die Managergehälter offen gelegt haben.
Der Beck will gleich gar die Millionenentschädigungen für selbige unterbinden.
Das Auswärtige Amt entläßt Mitarbeiter wegen Visa-Schiebereien.
Und die NPD soll "finanziell ausgetrocknet" werden, nachdem man in den letzten Jahren alles tat, um ihr Verbot zu sabotieren.
Da wir einmal dabei sind, will man die Scientologen auch gleich "einer kritischen Betrachtung" unterziehen und bei ihnen das versuchen, was bei der NPD so schief ging. (Was schwierig werden dürfte, denn die haben allerhand Geld, um allerhand Anwälte für manch juristischen Kopfstand zu bezahlen.)
Die CDU hatte für den Stammzellen-Import gestimmt und kriegt nun dafür Druck von der Kirche.
Die Bundesfamilienministerin will "Kinder von der Geburt an begleiten", obwohl wir das doch an der DDR so sch... äh, wenig gut fanden.

Und all der Dinge mehr. Fast möchte man glauben, die Herrschaften hätten das Maß der Wählerdummheit unterschätzt und würfen sich nun in Pose, um diesen kleinen Irrtum wieder wett zu machen.

Gleichwohl:
Dem "Lauschangriff" soll nun der "Spähangriff" als natürliche Ergänzungsmaßnahme hinzugefügt werden. (Wenn sie also nächsten in ihrer Wohnung irgendwo eine Minikamera finden, ist das nicht ihr schweinischer Nachbar, der Ihnen ins Intimleben gucken möchte, sondern der BND oder so etwas.)
Die Beitragsbemessungsgrenzen sind zum 1.1. ein weiteres Mal erhöht worden. Was heißt, daß zwar immer Menschen immer mehr Beiträge in öffentliche Kassen zahlen, aber aus ebendiesen Kassen immer weniger zu erwarten haben.(Man erinnere sich an meinen Hörsturz, dessen Behandlung ich - als wär´s eine Schönheitsoperation - komplett selbst bezahlen durfte.)
Chronisch Kranke kriegen ihre hälftige Befreiung von der Zuzahlung nur noch, wenn sie brav alle Vorsorgeuntersuchungen absolviert haben. (Mich erinnert das an die seinerzeitige Diskussion: Darf man als Nichtspender ein Spenderorgan kriegen?)
Kinder in der Nähe von Kernkraftwerken kriegen zwar objektiv unverhältnismäßig viel öfter Krebs, aber ein Zusammenhang zwischen dem einen und dem anderen Fakt ist "nicht belegt". (Man darf sich fragen, welcher Art Beweise sich die Herrschaften denn wünschen.)
Ach, und ja: Wo die Energiekonzerne künftig zum Zustandekommen ihrer Preissteigerungen Nachweise erbringen sollen (Weiß jemand da ´was Genaueres oder ist das nur eine von vielen hohlen Drohungen?), befragt niemand die Bahn zum Zustandekommen ihrer neuerlichen Preiserhöhungen. Gestiegene Energiepreise? Ahja. Wars nicht vielleicht ein bißchen Streik oder ein bißchen Pfusch am Berliner Hauptbahnhof? Und wo kommen die Einkommenssteigerungen der Vorstände her?

Im Grunde ist also alles beim Alten: Vorne ´rum erklären sie sich für großartig ob ihres bürgernahen Denkens und hinten herum unsereinen für ebenso blöd wie all die Zeit vorher. Und irgendwie funktioniert´s ja auch immer wieder. Viel zu lange schon sind sie an der Macht. Viel zu lange schon trotten wir mit und preisen vermeintliche Fortschritte, während wir all die vielen Rückschritte viel zu klaglos hinnehmen. Viel zu oft lassen wir uns belügen und sind nicht einmal angemessen enttäuscht, wenn sich Lügen als solche erweisen.

Tröstlich nur, daß es auch jenseits des großen Teiches nicht anders ist. Auch Herr Bush mußte letzthin bekennen, daß alles anders ist als er es uns noch vor kurzem einreden wollte. Fast können wir uns glücklich preisen, daß wir diesseits des Teiches sind. Bush´s Lügen immerhin zogen die großen Kriege der Neuzeit nach sich. Da sind diese schleichenden Freiheitsverluste, die wir zu beklagen haben, ja fast noch "Peanuts".

Mittwoch, 5. Dezember 2007

Beinahe ...

... hätte ich am Montag 30. Hochzeitstag gehabt, wenn nicht diese Ehe schon vor 28 Jahren in die Brüche gegangen wäre. (Auch die silberne im nächsten Jahr wird aus ähnlichen Gründen nicht stattfinden.)

... hätte es da auch einen Ehemann Nr.3 gegeben, wenn er ein bißchen weniger langweilig gewesen wäre (denn im Grunde war er sehr nett):

... wäre Herr Schröder vor zwei Jahren wieder Kanzler geworden, wenn nicht die Wähler ein bißchen anders entschieden hätten.

... wäre Al Gore Präsident geworden, wäre nicht damals die Sache mit der Auszählung ... aber so ein Oscar ist ja auch nicht übel.

... wäre Deutschland ein Sozialstaat gewesen, wenn da nicht die großen Unternehmen ganz andere Interessen gehabt hätten.

... hätte ich Größe 38 gehabt, wenn nur das Essen nicht immer so gut schmecken würde.

... wäre ich Nichtraucher gewesen, wäre da nur damals nach der Lungenentzündung nicht dieser verhängnisvolle Appetit auf eine Verdauungszigarette gewesen.

... wäre auch C. Nichtraucher gewesen, wenn sie nur nicht diesen Streß mit dem Ex gehabt hätte.

Aber: Ganz, ganz sicher werde ich das Haushaltsgeld bei der Aktion Mensch gewinnen, wenn nicht diese Woche, dann nächste. Den Jackpot von 43 Millionen mögen die kriegen, die ihn nötig haben. Mir geht´s doch gut!

Mittwoch, 28. November 2007

Erstaunlich

Daß vielleicht viele irgendeinen Joachim Möller, aber nicht den vom IAB kennen, liegt möglicherweise daran, daß die meisten nicht einmal das IAB kennen und der Möller dort noch ziemlich neu ist.

Dieser Tage nun passierte etwas sehr, sehr Erstaunliches. Der Möller vom IAB, was nichts anderes heißt als Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, durfte mit dem Handelsblatt sprechen. Nunja, wird der Eine oder Andere sagen. Viele Institute forschen irgendwas und kommen dabei zu den erstaunlichsten Ergebnissen, die sich Otto Normalverbraucher so nicht ausgerechnet hätte. Und das Handelsblatt veröffentlicht deren Erkenntnisse stets sehr gerne, wenn sie nur irgendwie für die Industrie nützlich sind.

Nicht so dieses Mal!
Zum einen, weil das IAB im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit, und zwar im SGBIII rechtlich verbrieft, forscht. Was auch nichts unbedingt Gutes bedeuten muß, aber dann doch so viel seriöser klingt, als wenn die Firma Bertelsmann höchstselbst irgend etwas in Auftrag gegeben hätte. Zum anderen, weil wir es von der Agentur ja gewöhnt sind, daß sie gerne mal zu den gleichen Ergebnissen kommt, wie die Herrschaften aus der Industrie.

Dieses Mal eben nicht. Und der Möller, neuer Chef des IAB seit Oktober, hat´s gesagt. Im Handelsblatt. Gesagt hat er, daß er sich wundert. Wegen dieser Debatten über den Mindestlohn, der so schädlich sein soll für allerhand (aber wohl vor allem für die Arbeitgeber, aber das hat er nicht gesagt), obwohl doch Erkenntnisse bereits vorlägen, aus dem Baugewerbe, wo es den Mindestlohn ja schon seit ein paar Jahren gibt.
Und da hätte sich heraus gestellt, daß nur im Osten, nicht jedoch im Westen Jobs durch die Einführung des Mindestlohnes verloren gegangen seien. (Woraus man allerhand folgern kann. Zum Beispiel, daß die Ostdeutschen immer noch wie deutsches Billiglohnland behandelt werden und man dort weggeht, wenn es nicht mehr lohnt. Aber auch, daß man nicht aufhören wird zu bauen, nur weil man ein paar Euro mehr zahlen muß.)

Und dann hat der Möller noch gesagt, daß die Politik insgesamt viel zu schlecht beraten ist bei ihrer Entscheidungsfindung. Und gemeint hat er die schlechte Qualität der Politikberatung einerseits und die Abhängigkeit der Politik von den Untersuchungsergebnissen der Wirtschaftswissenschaftler, die nicht immer neutral und ideologiefrei, also ergebnisoffen, an irgendwelche Forschungen heran gehen.

Zwischen den Zeilen und auch mittendrin hat der Möller wirklich allerhand erstaunliche Sachen gesagt, die wir anderen nicht viel besser hätten sagen können, die jedoch aus dem Munde eines Volkswirtschaftlers sehr viel besser klingen. Weil wir übrigen nicht ganz so wissenschaftlich Denkenden ja gerne bezichtigt werden, wir würden unserem subjektiven Bauchgefühl folgen. (Was ja vielleicht so verkehrt dann auch nicht ist, solange man zu den gleichen Ergebnissen kommt.)

Bleiben am Ende mindestens zwei Fragen: Wie kommt solch ein Interview ausgerechnet ins Handelsblatt? Und: Wie lange wohl wird Möller mit solchen Ansichten Chef des IAB bleiben können?

Mittwoch, 21. November 2007

Lokführer und kein Ende ...

Dabei ist das, was hier in Deutschland passiert, Pippifax gegen das französische Geschehen. Aber das nur am Rande.

Trotzdem jammern wir wie verrückt. Am meisten vermutlich der Herr Mehdorn, der da mittlerweile ganz gehörig unter Druck geraten ist. Aber das sagt er nicht öffentlich, weil das seine Verhandlungsposition schwächen würde. Und die ist schon schwach genug, auch ohne öffentliches Gejammer.

Stattdessen läßt man seine Puppen tanzen, schickt die einschlägigen Industrievertreter in die Öffentlichkeit und läßt es im Blätterwald rascheln.
Alles unter dem Deckmäntelchen pseudowissenschaftlicher Betrachtungen: das Zerstören der - ach, so großartigen! - Konjunktur und und und.

Als neueste Blüte dieses Treibens will uns nun heute die FAZ ein weiteres Mal klar machen, wie unverfroren die Lokführer doch fordern, was andere schon lange nicht mehr haben. Mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 33 000 Euro stünden sie doch vergleichsweise gut da, wohingegen der durchschnittliche Arbeitnehmer in Deutschland gerade mal 27 000 Euro hat.
Das Ganze dann auch noch auf einen erklecklichen Stundenlohn herunter zu rechnen, bildet den Gipfel. Kaum einer noch verdient da in Deutschland über 20 Euro in der Stunde, die Lokführer schon.

Sagt man. Und vergißt dabei, die Vielzahl der Überstunden, die das Ganze sehr nach unten drücken dürfte.

Und sowieso haben wir doch in dieser unserer Leistungsgesellschaft gelernt, daß wir alles mögliche tun dürfen, nie, aber auch niemals jedoch uns nach unten orientieren. Es soll ja weitergehen. Und wir sollen Geld ausgeben, damit die Konzerne was verkaufen und all der Dinge mehr.
Gar nicht zu reden davon, daß man ihn ja nicht mit tragen muß, diesen uns allen aufdiktierten Abwärtstrend. Schon gar nicht, da ja "die da oben" ihn sich selbst keineswegs mit auferlegt haben.

So darf angenommen werden, daß dieses eine einzige Mal die Einkommen der Spitzenverdiener nicht mit drin waren im Durchschnitt. Der sonst womöglich um einiges höher gewesen wäre und die Lokführer nicht so gut hätte dastehen lassen.
Aber eigentlich spielt das neben dem Beschiß, der seit Jahren schon mit uns allen getrieben wird, nun auch keine Rolle mehr.

Ach, laßt uns nach Frankreich gehen, wo die Massen ihre eigene Macht noch kennen. Laßt uns lernen von den Nachbarn, die eine Reform als Betrug am Volk erkennen, wo sie das ist. Laßt uns die Straßen füllen mit Menschenmassen, Plakaten und laßt uns endlich wieder selber denken.

Laßt uns abzweigen vom Weg der folgsamen Schafe, ehe die Wachhunde zu stark sind.

Dienstag, 20. November 2007

Steffanie mit der Kochjacke

Wir alle lieben ja das Privatfernsehen!

Jawoll! Weil die uns doch immer wieder mal erzählen, was wir zu fühlen, zu denken und auch zu schmecken haben.

Steffanie mit der Kochjacke heute hat´s uns wieder bewiesen.
Nämlich ... sie war in den berühmten Möbelhäusern und hat deren Essen getestet. Hochwissenschaftlich natürlich.
Klar! Alles prima, alles gut. Sehr subtile Beurteilung, denn die Normalesser in so einem Möbelhaus sind ja nicht blöd. Natürlich werden Fertig-Zutaten verwendet. Natürlich gibt´s für´s Geld nicht mehr, als das "Preis-Leistungs-Verhältnis", das gut sein soll. Sagt Steffanie. Und die scheint´s zu wisen. Weil sie doch eine Kochjacke hat.

Daß die Namen der Möbelhäuser eingeblendet waren, auch für den Blinden sichtbar, ist natürlich reiner Zufall.

Montag, 19. November 2007

Böcke, Gärtner und der Montagmorgen

Der Montagmorgen ansich ist eine traurige Sache. Mit der Aussicht auf eine volle Arbeitswoche ist keiner wirklich fröhlich. Es sei denn, man würde - wie ich das bekanntermaßen tue - am Morgen regelmäßig das Morgenmagazin schauen/ hören. Die haben immer ´was zu lachen.

Da nämlich erfuhren wir, daß der Herr Stoiber keineswegs von der politischen Bildfläche verschwunden ist, sondern tut, was alle ausgemusterten Politker tun: Sie gehen, um Europa zu retten. Jeder mit einer höchsteigenen Mission.
Stoibers neue Mission ist die Rettung vor der Bürokratie, und zwar europaweit. Was ein schönes Stück Arbeit zu werden verspricht. Besonders, wenn man Stoiber heißt und schon damit Probleme hat, einen Satz mit Nebensatz (gar nicht zu reden von mehreren dieser Sorte) gerade zu Ende zu bringen.

Man darf sich fragen, ob so ein Stoiber, der nicht linear sprechen kann, dies wenigstens beim Denken schafft: Geradlinigkeit, Unverschnörkeltes (das man doch eigentlich so liebt) zu produzieren.

Herr Schnörkel ... ääääh ... Stoiber, hört man, tut das übrigens ehrenamtlich, lediglich gegen Zahlung einer Aufwandsentschädigung. Was vielleicht nicht mehr ganz so großzügig klingt, wenn man hört, daß da monatlich ca. zwei Sitzungen in Brüssel geplant sind. Und der Aufwand für solch regelmäßiges Erscheinen (Flug: München-Brüssel-München; Hotelübernachtung, vermutlich ein ständiges Arbeitszimmer, Tagegeld, Trennungsgeld undundund ...) sich auf diese Weise summiert.

Und tatsächlich hört man Stimmen, die es ebenso verwegen finden wie ich, die Bürokratie in Brüssel vermittels eines weiteren Ausschusses abbauen zu wollen. Zunächst sieht´s ja erst einmal aus, als würde die Bürokratie sich noch ein wenig mehr plustern, ehe sie im Kampf gegen sich selbst antritt.
Sowieso, melden sich da ausgewählte Personen, könnte das, wofür der Herr Stoiber nun angetreten ist, der Herr Verheugen, der eh schon in Brüssel ist, quasi nebenbei mit machen.

(Gar nicht zu reden von der Idee, daß man nun etwas beheben will, was man jahrelang gehegt und gepflegt hat. Oder hat jemand von meinen Lesern es bislang für nötig befunden, die Maße der idealtypischen Salatgurke gesetzlich zu regeln? - Brüssel hat´s!) Ob jener ungenannte Europa-Parlamentarier, der dem Verheugen offenbar einiges zutraut, damit sagen will, daß mit Stoiber der Bock zum Gärtner gemacht wird, ist nicht bekannt.

Da möge sich jeder seine eigene Meinung drüber bilden.

Samstag, 17. November 2007

Gewissensfragen

Was darf man tun? Was nicht? Das sind so Fragen, die nicht allein eine juristische Komponente haben. Viel früher als jedes Gericht entscheiden wir selbst jeden Tag viele Male, was zu tun richtig oder falsch ist, vor uns selbst und zunächst niemandem sonst.

Stecke ich die gefundene Brietasche ein oder bringe ich sie zum Fundbüro? Nehme ich dieser elfjährigen Rotzgöre die Zigarette aus der Hand oder schaue ich drüber weg? Helfe ich dem Afrikaner, der von Glatzköpfen angepöbelt wird, oder bringe ich meinen eigenen Hintern in Sicherheit?
Gar nicht zu reden vom "kleinen Schweinehund", den wir alle ins uns haben: Muß ich heute schon Staub wischen oder geht´s noch ein paar Tage? Die Steuererklärung, der Zahnarztbesuch und all der unangenehmen Dinge mehr.

Es gibt jedoch Fragen, die wir alle uns um keinen Preis stellen wollen: Fliege ich den Tornado-Einsatz? Gehe ich in den Irak?
Nee, ja, ist klar! - Wer von Beruf Soldat ist, hat seine Entscheidung schon getroffen, denkt man. Der wußte beim ersten Eintritt in die Kaserne, daß er sein Gewissen und auch seinen eigenen Willen abgibt. Daß er ab nun der "Befehlsgewalt" unterliegt und nichts anderem. Weil Krieg nicht funktionieren kann, wenn jeder seine eigenen Entscheidungen trifft. Strategie und Taktik. Gemeinsames gezieltes Vorgehen, das nicht immer durchschaubar ist und das auch nicht unbedingt sein soll, damit der Feind nicht mitkriegt, was man vor hat.

Nun wissen wir aber alle, daß es so einfach dann doch nicht ist. Man kann sich Dinge gut und richtig reden, aber manchmal gibt es da doch diesen Punkt, wo vermeintlich vernünftig Argumente nichts mehr gelten. Man zweifelt an sich und seinem Befehlsgeber und erinnert sich an Situationen in früheren Zeiten, als Befehle sich auch schon als falsch erwiesen hatten.
Vor Gericht stehen dann häufig die Soldaten der niedrigeren Ränge. Schießbefehl an der Grenze, Folterbefehl im politischen Gefängnis ...

Wer sich dem Konflikt zwischen dem als unrichtig erkannten Weg und der Befehlsgewalt nicht aussetzen will, muß eine Entscheidung treffen. Manchmal ist es erst die persönlichen Erfahrung, die uns klüger werden läßt. Weswegen es wenig Sinn macht, die Leute auf ihre freiwillige Entscheidung zum Eintritt in die Armee zu verweisen. Vielleicht hatte man vorher ja wirklich geglaubt, man würde für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen.

Deutsche Soldaten, die den Tornado nicht fliegen wollen, äußern sich in offenen Briefen an ihre Vorgesetzten zu ihren Zweifeln bezüglich der Rechtmäßigkeit und lehnen den Einsatz ab.
Amerikanische Soldaten bitten in Kanada um Asyl. Das war schon zu Zeiten des Vietnamkrieges so.


Jedoch entscheiden die Gerichte, kanadische und andere, immer öfter, daß sie sich nicht in amerikanische Konflikte einmischen wollen. Sie entscheiden gegen die amerikanischen Soldaten, die ihr Gewissen gefälligst überprüfen sollen, bevor sie in die Armee eintreten. Was sie so natürlich nicht sagen. Sie sagen, man könne keine wirkliche Gefahr für die Asylbewerber erkennen, wenn man sie in ihre Heimat zurück schickt. Aber sie meinen: Du wußtest doch, was dich erwartet!

Wenn die Regierungen wechseln, neigen sie gern dazu, die Taten ihrer Vorgänger für grundfalsch einzustufen. Das Volk kriegt das Gefühl, alles ist wieder gut, wir haben es richtig gemacht.
Wie aber soll so ein Soldat mit seiner Schuld fertig werden? Er kann sich nicht "wechseln"; er bleibt bis zum Lebensende er selbst.

Motto:

Meine Bilder kann man kaufen. Meine Texte und meine Meinung nicht. D-J

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