Rembrandt war 47 und sah dem Ruin ins Gesicht

So nannte einst Joseph Heller eines seiner Bücher. Heller erhob nicht den Anspruch einer Rembrandt-Biographie, sondern war sich vielmehr nur allzu sehr dessen bewußt, daß wir Heutigen die Geschehnisse aus früheren Jahrhunderten nur schwerlich wahrheitsgemäß nachvollziehen können. Wir machen uns ein Bild von den Dingen. Und eigentlich tun wir das bei Biographien ja immer. Wir sehen, selbst bei noch lebenden Personen, nur das, was der Schreiber sichtbar machen will. Ohnehin können wir in die Köpfe der Menschen nicht hinein schauen, nicht ihre Gefühle, Wünsche und Motive erfahren, sie bestenfalls erahnen.

Was ja irgendwie beruhigend ist.

Aus der neuesten Rembrandt-Forschung erfahren wir jetzt, daß selbst die scheinbar objektiven Fakten aus Rembrandts Leben nicht richtig sind.
Es war ja auch nur zu schwer vorstellbar, daß der heute als wichtigster niederländischer Maler geltende Mann, der auch zu Lebzeiten schon Erfolge feierte, sein Leben in bitterlicher Armut beendete. Im Gegenteil war Rembrandt im Leben genau so kreativ wie in seiner Malerei. Er wußte es so einzurichten, daß all die Dinge, deren Nutzen er in seinem Umfeld genoß, nicht ihm gehörten. Arm wie die sprichwörtliche Kirchenmaus war er nur auf dem Papier, um seine Schulden nicht bezahlen zu müssen. In Wahrheit lebte er von den Einkünften und Geschäften seiner Frau, die auch nicht seine Frau, sondern seine Arbeitgeberin war. Zumindest auf dem Papier.

Insoweit kann Rembrandt als Vorbild für allerhand Männer der Neuzeit dienen, die auch nicht Schulden und nicht Unterhalt zahlen und doch ein Leben führen, das alles andere als armselig ist.

Ich habe den Verdacht, daß Heller all das bereits wußte, als er das Buch über Rembrandt schrieb. Heller kannte sich aus mit finanziellen Notständen und hatte, Rembrandt gleich, so diesen und jenen Trick parat. Womöglich war es ihm ein diebisches Vergnügen, eine Legende zu schüren, die er längst als das erkannte, was sie eben war.
Nielsson - 27. Okt, 09:58

Danke für die Blickwinkelverschiebung. :-)

Wobei man sich nie sicher sein kann, ob mehrere Blickwinkel wirklich gut sind. Zumindest der Mehrheit der Bevölkerung sind mehr als ein Blickwinkel schon zu viel des Vorstellungsaufwandes.

erphschwester - 27. Okt, 10:04

ich habe ...

... ja nichts gemacht. nur wieder gegeben, was andere erforschten.

und was diese blickwinkel-geschichte angeht, jaja, wir tun uns schwer mit der differenzierten betrachtung. irgendwie landet man immer wieder bei der frage: was ist wahrheit?
AiHua - 27. Okt, 13:22

Irgendwie stelle ich mir Rembrandt trotz seiner ausgeklügelten Taktik nicht als Schmarotzer vor, schließlich hat er bis zum Tod an Werken gearbeitet um die sich die Höfe Europas gerissen haben. Da wird er schon das eine oder andere Talerchen, Geschenk vom Hof hier und da erhalten haben. Denk ich mal... bin aber mit der neusten Forschung über seine Biographie nicht so bewandert, habe nur Artikel von und über Heller gelesen.
Und obwohl ich privat das Leben von Künstlern ganz spannend finde, erscheint es mir beruflich nur insoweit interessant, wenn es auch Auskunft über seine Werke gibt. Macht das eigentlich Heller? Geht er auf das Werk ein?

erphschwester - 27. Okt, 15:09

es wäre übertrieben, ...

... würde ich mich "bewandert" nennen. mein weniges wissen habe auch ich allemal nur aus zweiter und gar dritter hand.
aber natürlich geht heller auf rembrandts werk ein. schließlich nimmt er in seinem buch das bildnis des aristoteles zum anlass für einen streifzug durch die weltgeschichte. damit ist natürlich aber auch gesagt, daß das buch keine werkschau bildet. nicht darum, denke ich, ging es heller. da gibt es genug bücher von wissenschaftlern.
allerdings bin ich mir nicht sicher, ob wir beide vom gleichen heller reden. artikel von oder über heller kenne ich nämlich keine, nur seine bücher (das bekannteste: "Catch22"), die allesamt mehr als zwanzig jahre zurück liegen. heller starb 1999.
AiHua - 27. Okt, 17:05

Habe mir heute das Buch mal angeguckt, sowie der anderen Literatur etwas überflogen. Und erst gestern sah ich einen Bericht (ich glaube 3sat, könnte aber auch ein regionaler Sender gewesen sein) über eben genau diesen Hintergrund. Meinstens sind aber die Forscher immer noch der Meinung, dass Rembrandt verarmt und einsam gestorben ist. Sein Sohn Titus und seine Lebensgefährtin hatten ihn zwar einige Zeit aufgenommen.
Das es ihm am Ende seines Lebens nicht so gut ging wird meistens auch damit belegt, dass er schließlich in ein anonymen Mietgrab beerdigt wurde, welches auch nur anonym bezahlt wurde. Und einer schreibt auch, dass es Kostengründe gewesen sein könnten, dass sich seine Farbpalette veränderte (das meine ich z.B. damit, dass man die Lebenssituation mit dem Werk betrachtet. Lebenssituation als Quelle für das Werk und andersrum).
Werde mal versuchen das Buch nicht nur in der Präsenzbibliothek einzusehen. Fände es z.B. spannend welche Quellen verwendet.
Danke also für den Tipp.
erphschwester - 27. Okt, 17:56

sicherlich ist ...

... die geschichtsforschung bezüglich der berühmten und kreativen in dieser welt immerwährend im flusse. man weiß nicht immer, was richtig ist (sein könnte) und was auf keinen fall stimmt. wie auch, und eben das nährt ja manches sehr späte gerücht, wir waren ja nicht dabei.

neulich gab´s auch einen goethe-forscher der meinte, daß der herr rat in wahrheit nicht mit frau von stein verbandelt war, sondern diese nur ihre räumlichkeiten für die geheimen treffen zwischen ihm und anna amalia zu verfügung stellte, selbst aber nie mehr als eben eine gute freundin "im Geist" war. auch so mancher liebesbrief des herrn rat habe in wahrheit der anna amalia gegolten und eben nicht der frau von stein.

all diese geschichten haben ja etwas tröstliches: am ende nehmen wir doch noch ein paar geheimnisse mit ins grab, auch wenn die im zeitalter der elektronischen überwachung wohl immer weniger werden. aber, im ernst, für solche hochprivaten sachen wird sich bei unsereinem, die wir weltpolitische niemande sind, vermutlich auch künftig keiner interessieren. hoffentlich ...

Trackback URL:
https://erphschwester.twoday.net/stories/4386867/modTrackback

Motto:

Meine Bilder kann man kaufen. Meine Texte und meine Meinung nicht. D-J

Zufallsbild

406000192

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

20022015
hätte, hätte, fahrradkette kann schon sein, nein!,...
erphschwester - 20. Feb, 00:32
puhh!
nochma glück gehabt.
erphschwester - 15. Feb, 11:19
Das
war nicht auf Ihre Kartoffeln bezogen. Das war eine...
pathologe - 15. Feb, 11:11
womit sie jetzt ...
... hoffentlich nicht sagen wollen, dass ich nicht...
erphschwester - 15. Feb, 09:55
Ich
fürchte: ja. (Gilt ja allgemein auch für die Dummheit....
pathologe - 15. Feb, 09:27
Meine Bilder kann man kaufen. Die Texte und meine Meinung nicht. D-J

Suche

 

Status

Online seit 6874 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 20. Feb, 00:32

Credits

kostenloser Counter


Geschichten aus dem Drinnen
Geschichten aus dem Lande und der Welt
vollkommen sinnfrei
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren