Gleichschaltung

Früher war es so, daß ich keine Not hatte, irgendwelche Themen zu finden, die mich bewegen. Morgens nach dem Einschalten des Morgenmagazins dauerte es nur wenige Minuten, irgend eine Sache zu erfahren, die jetzt und ganz unbedingt von mir besprochen werden mußte.

Heute hingegen spielt es kaum eine Rolle, ob ich morgens oder wann auch immer den Fernseher einschalte, um mich zu informieren; die Nachrichten sind allemal sehr einfach gestrickt, wiederholen sich bis zur gähnenden Langeweile und unterscheiden sich bei Privaten und Öffentlich-Rechtlichen nach meinem Eindruck kaum noch. Hier wie da kommen sowohl die einen, als auch die anderen zu Worte. Und sowieso kann man die einen und die anderen in ihren Meinungsäußerungen immer weniger unterscheiden. Da sind überall solche, die plötzlich (obwohl ihr persönlicher Standort das imgrunde nicht zuläßt) ihr soziales Gewissen entdecken, und auch solche, denen die Wirtschaft ihr soziales Gewissen schon längst abgekauft hat, so daß wir die merkwürdigsten Thesen über das Funktionieren des gemeinen Arbeitslosen im Besonderen oder von Aufschwüngen im Allgemeinen erfahren. Letztere sind neuerdings nie und nimmer dazu geschaffen, uns alle aufatmen zu lassen. Vielmehr muß alles so weitergehen wie bisher, damit alles besser werden kann ... irgendwann in einer fernen Zukunft, die wir alle wohl nicht erleben werden. Und sowieso weiß ja jeder, wie das so funktionert: Jedem Aufschwung folgt der große Katzenjammer, und auf den sollen wir uns mental schon mal vorbereiten. Da ist es besser, wenn´s einem erst gar nicht besser geht und man das Gürtelengerschnallen nicht gleich wieder verlernt.

Nur manchmal noch werden Botschaften verbreitet, die zum Aufregen geeignet wären: Wenn da in der Zeitung steht, daß und wie viele Vorstandmitglieder Jahreseinkünfte im zweistelligen Millionenbereich haben (und der gemeine Leser sich fragen darf, w a s - um Himmels Willen - man tun muß, um so viel Geld zu verdienen; und im Herzen weiß jeder, daß die Leute das nie und nimmer redlich verdienen, sondern einfach kriegen für Sachen, von denen wir alle so genau gar nichts wissen wollen). Oder irgendwann um die Mitternachtsstunde berichtet dann auch mal jemand über die Siemens-Geschichte, in denen Zahlen genannt werden, die der gemeine Zuseher sich sowieso nicht vorstellen kann. D i e s e Herrschaften jedoch hantieren damit, ganz selbstverständlich, alle Tage, und kommen nicht auf die Idee, sich zu fragen, wie man von 347 Euro im Monat leben kann. Da müßte man sich nach deren Dimensionen ja irgenwie in den Unterkommabereich begeben.

Warum also die Leute mit Wissen belasten, das ohnehin keines ist. Sie v e r s t e h e n einfach nicht, was da so läuft. Und irgendwie ist das auch gut so.

Also haben die Berichterstattungen ein Ausmaß von Eintönigkeit erlangt, das sich nur dadurch erklären läßt, wie unfähig die Allgemeinheit doch ist, auch nur ein Quentchen von den wirklichen Dingen zu begreifen, als daß man sie ihr zumuten könnte. Da ist es doch wirklich viel einfacher, immer wieder auf den gleichen Knochen herum zu kauen. So kann der zunehmend ungebildete BRD-Bürger wenigstens folgen und wird in seiner Denkfähigkeit nicht überfordert, weil man ihm die Meinung günstigerweise gleich mit liefert, statt deren Produktion jedem selbst zu überlassen. Wäre ja noch schöner, wenn jeder plötzlich mit dem Denken anfangen würde!

(So ähnlich war übrigens heute Nacht mein Traum: Ich fragte Angela Merkel, w a r u m sie die Sachen alle so macht, warum sie ihr Volk ständig so vor den Kopf stößt. Und sie antwortete, neben dem Hinweis auf ihre begrenzte Zeit und damit auf meine Unmaßgeblichkeit als Wähler, daß es ihr Leid täte, wenn ich ihre Entscheidungen nicht verstünde, aber diese müßten genau so getan werden. Ob ich das nun verstehe oder nicht.
Sprachs und ging - wenn auch ein wenig blaß - zu ihrem nächsten Termin, während ich mich ratlos fragte, wie das mit der Demokratie wohl gedacht war. S o doch irgendwie nicht.)

Na, jedenfalls ist es maßlos langweilig geworden, Nachrichten zu sehen. Nicht nur, weil´s immer wieder die gleichen, bodenlos platt gewalzten sind, sondern auch, weil man den Eindruck hat, die wirklich maßgeblichen Sachen nicht zu erfahren. Sie werden im Hintergrund gehalten. Und manchmal ist da auch die Idee, daß es keine Rolle spielen würde, wenn man sie erführe. Weil wir schon hübsch weit damit gekommen sind, zu verinnerlichen, daß wir all das ohnedies nicht begreifen und deswegen doch nichts machen können.

Eva Herman nannte das neulich "Gleichschaltung", womit sie natürlich nicht das Allgemeine, sondern nur die Berichterstattung über sich selber meinte. Das war nicht sonderlich geschickt, weil in unserem Bewußtsein zuerst die Nazis gleichgeschaltet haben. Und von denen wollte sie sich ja vermeintlich distanzieren.
Es war darum aber um nichts weniger wahr, auch wenn ich nach wie vor der Meinung bin, daß Eva Hermans Köpfchen viel zu leer ist, als daß sie die Dimension der von ihr - wohl eher zufällig - geäußerten Wahrheit selbst erfassen könnte.
pathologe - 18. Okt, 09:34

Hieß

es damals im alten Rom nicht Brot und Spiele? Es scheint mir, dass man damit das Volk auch in unserer Zeit unterhält. Wobei, im Hinblick auf Hartz-IV, man noch versucht am Brot zu sparen.

Off Topic: Die Einträge wären für mich flüssiger zu lesen, wenn Sie die zu betonenden Stellen nicht s p e r r e n würden, da diese im Umbruch nicht richtig lesbar sind teilweise. Dann schon lieber mit Minimalkenntnissen diese Stellen fett schreiben. Mit (und dabei bitte die Leerstellen entfernen) < b > fett < / b > beispielsweise.

AiHua - 20. Okt, 02:07

Irgendwie

gruselig, die Vorstellung Fr. Merkel in seine Träume zu lassen. Bisher ist mir das nocht nicht passiert. Ich glaube, ich bin irgendwie nicht sooo ein politischer Mensch...

erphschwester - 20. Okt, 08:47

oh, ...

... mir passiert das - zum Glück! - auch nur alle paar Jahre. Auch mit dem Herrn Schröder hatte ich schon das "Vergnügen", seinerzeit. Interessant jeweils die Eindrücke, die sich so nebenher ergeben. Im Schröder-Traum dachte ich: so ein kleiner Mann ...
AiHua - 20. Okt, 12:33

Kann ich mir vorstellen, die eigenen Gedanken im Traum können manchmal das Interessanteste sein.

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