Montag, 15. April 2013

Der lange Abschied

es gibt viele dinge im leben eines menschen; zwei jedoch sind unvermeidlich: geboren werden und sterben.

die geburt als beginn, der tod als unvermeidliches, wenn auch gefüchtetes, ende von allem. und so gehen wir auch damit um: wir feiern jede geburt und betrauern jeden tod. die zeit dazwischen verbringen wir mit dem mehr oder weniger gelungenen versuch, das beste draus zu machen und das ende zu ignorieren.

was aber ist, wenn das ende kommt? (ja, gut, es nähert sich täglich. aber meistens denken wir nicht dran.) also wenn da einer kommt und sagt: dann und dann ist es unvermeidlich soweit. jagt uns das angst ein oder eher eine beruhigende gewissheit? oder wäre es uns lieber, wenn es uns so ginge wie diesem dreißigjährigen, von dem mein zeitungshändler heute erzählte: der ging abends ins bett und wachte morgens nicht wieder auf. einfach so. blöd für die familie, klar, aber für den betroffenen? der hat doch praktisch nichts gemerkt. und schließlich ist es ja das, wovor wir beim sterben angst haben: schmerzen, langes leiden und all das. auch, wenn 30 sicherlich eine spur zu jung ist ... mir wäre es so schon lieber. ist nicht das die idealvorstellung, die wir alle haben: die oma, die irgendwann nachts einen tiefen schnaufer tut, und morgens eben nicht mehr ist. ("sie sah aus, als ob sie schläft.")

mein zeitungshändler, der weiss, wovon er redet (lungenkrebs, dritte chemotherapie in drei jahren), beharrte auf der chance zum abschied. abgesehen davon, dass ich nicht ahne, was denn man sich sagen würde, wenn es denn soweit wäre, verstand ich nicht, was er meinte, als er mehrfach sagte: und was kommt dann? (dann ist man tot, dachte ich.) bis sich herausstellte, dass er das religiöse danach meinte. ich, von derlei vorstellungen unbeleckt, meinte naiv, dass es dann doch viel einfacher sei: man sähe sich ja wieder. wozu also ein solch gewichtiger abschied?

tatsache ist, dass ich gut reden habe: nicht mir fallen die zähne und nägel von der chemotherapie aus. nicht ich bin es, die im grunde ihres herzens weiss, dass sie ihre enkel nicht mehr groß werden sehen wird.

gleichwohl: in meiner familie stirbt man an krebs, zuweilen sehr vor der zeit. und natürlich habe ich drüber nachgedacht, schon vor allerhand jahren. vielleicht habe ich genetisch keine chance, dem zu entgehen, aber ich hatte chance genug, mich kopfmäßig darauf einzustellen, dass frau kein gottverdammtes recht hat auf diese achtzig oder neunzig lebensjahre. und vielleicht kommt es ja gar nicht auf die zahl der lebensjahre an, sondern auf inhalte? wie viel zählen diese vielen abende, an denen ich vorm einschlafen zu mir sagte "Danke, lieber Gott" (an den ich nicht glaube) "für diesen normalguten Tag!"? wieviel zählt es, wenn ich heute, und zwar in vollem ernst, schon sagen kann: "ich hatte ein gutes leben"? schließlich war alles drin: ich habe geliebt, wurde geliebt, durfte das geschenk der mutterschaft erfahren, habe viele länder gesehen, viel gelernt, bin kreativ gewesen, habe verrückheiten begangen und vernünftige entscheidungen getroffen.

und wenn ich gehe, ist es egal, wann und wie. wenn ich es richtig gemacht habe, dann brauche ich keine langen abschiede, sondern habe jeden normalen abschied so gestaltet, dass die betroffenen wussten, wie wichtig sie mir waren.

Motto:

Meine Bilder kann man kaufen. Meine Texte und meine Meinung nicht. D-J

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