Zeit des Erwachens
DIE ZEIT, die noch vor nicht vielen Monaten der Kultur des Gürtel-enger-Schnallens, zwar verhalten zweifelnd, aber dennoch verständig das Wort geredet hat, meldet nun Zweifel an. Und nicht etwa nur vage Zweifel an irgendwas, sondern solche am Funktionieren des Systems Kapitalismus.
Es gehört nicht viel Intelligenz zu der Erkenntnis, dass DIE ZEIT das Thema nicht aus dem hohlen Bauch heraus in ihr Blatt bringt (immerhin wählte man erst S.49 dafür!). Das Thema ist bereits da.
Die ewig Markt-Gläubigen sind längst in ihrem Optimismus gedämpft. Der Staat, der nurmehr die Rolle des Auffangens der Verlierer übernehmen sollte ("Nachtwächter"), wird zunehmend auch von den seinerzeitigen Gewinnern angerufen. Spätestens seit ein Herr Ackermann, der sich noch vor kurzer Zeit für alle Freiheit dieser Welt aussprach (einschliesslich seiner eigenen), die Rolle des Staates als Retter für legitim erkannte, ist die Diskussion opportun:
Es funktioniert vielleicht doch nicht.
Zumindest meldet man schon mal Hilfebedarf an, für den Fall, dass es nicht funktioniert, was immer öfter der Fall ist. Nicht, dass es je schon wirklich und für alle funktioniert hätte, gab man sich doch in der Vergangenheit gern der Illusion hin, es könnte zumindest für jene funktionieren, die sich "anstrengen". Seit jedoch die Prediger dieses weltumspannendes Fleisses selbst immer öfter auf die Nase fallen, sind sie froh, dass sie das Konstrukt Staat nicht längst schon abgeschafft haben, wie sie´s zwischendurch - zumindest sich selbst betreffend - gern getan hätten. (Denn natürlich ist es ungeheuer praktisch, sich keiner gesellschaftlichen Verantwortung mehr stellen zu müssen, seit durch HartzIV und eine unternehmensschonende Steuerpolitik ohnedies alle Tore offen stehen.)
Der Kleinverbraucher, Noch-Steuerzahler und Wähler, dem man in der Vergangenheit so dies und das an vermeintlich vernünftigem Verzicht eintrichterte, ist nun immerhin gut dafür, die Suppe auszulöffeln, von der andere den Hals nie voll bekamen ... solange sie noch schmeckte.
DIE ZEIT, um zum Anfang zurück zu kommen, hat nun auch keine Scheu mehr, auf Altvater Marx hinzuweisen, der´s schon vor langer, langer Zeit wusste, dass die Dinge so funktionieren und dabei eben nicht auf Dauer funktionieren können. Weil es nicht in der menschlichen Natur liegt, irgendwann genug zu kriegen und besonders altruistisch zu sein. Wenn ich etwas nicht sehen kann, das Elend der anderen zum Beispiel, schaue ich halt woanders hin. Und da das Kapital sich selbst keinerlei Handlungsschranken auferlegt, darf man auch schon mal vorsichtig darüber nachdenken, ob so ein Staat nicht vielleicht mehr zu tun habe, als den faulen Heilsversprechen zu glauben, die im Falle von Steuer- und anderen Begünstigungen die Schaffung von Arbeitsplätzen verheisst.
DIE ZEIT geht sogar noch weiter und beklagt, dass Konsum nicht alles ist, schon gar nicht mit Freiheit gleichgesetzt werden kann, solange die begeisterten - weil besitzenden - Konsumenten sich ihre Parallelwelt schaffen und alle anderen Werte, die beschlossenermassen das Mensch-Sein ausmachen, dabei den Bach runtergehen.
Während also DIE ZEIT mehr als zaghafte Zweifel an dem anmeldet, was der Grossteil der Welt als richtig, fortschrittlich und zukunftsweisend für sich beschlossen hat, steht Frau Ypsilanti in Hanau vor ihren Genossen und beschwört herauf, was nicht sein kann, weil´s nicht sein darf: Einen Politikauftrag, von Wählern erteilt, der sich aus diesen Grenzen heraus bewegt, obschon er dermaleinst ja irgendwie so im Parteiprogramm stand. Es war der einstige Parteivorsitzende Schröder, der alle Ideen der Sozialdemokratie über Bord und sich selbst den Geldsäcken an den Hals geschmissen hat. Denn wer auch wollte behaupten, dass der Einzelne stärker sein soll als das ganze System? Wenn man die Dinge nur richtig "kommuniziert", kann man in einer Demokratie alles werden, sogar ein Bundeskanzler, der sich hinterher als überschätzt erweist.
Genau diese Demokratie auch ist es, auf die Frau Ypsilanti sich beruft. Der Wähler in Hessen, so liest sie aus den Zahlen, hat sich für eine Rot-Rot-Grüne Politik ausgesprochen. Und diesem Wunsch will sie - wie genau, das weiss sie noch nicht - aber immerhin folgen. Man möge ihr Wortbruch oder was auch immer vorwerfen; es könne jedoch kein Wortbruch sein, die Politik zu machen, die man versprochen habe.
Wir werden Frau Ypsilanti im Auge behalten. Nicht nur, weil sie sich von der Bundesparteizentrale nicht in ihre Politik hineinreden lässt, sondern auch, weil sie - vielleicht - die Zeichen der Zeit besser verstanden hat als manch anderer: Denn es geht tatsächlich nicht um unüberlegte Koalitionsaussagen, sondern um versprochenes politisches Handeln. Vielleicht kann ein Wertewandel in dieser Gesellschaft damit beginnen, Versprechen vor der Wahl nach der Wahl einzuhalten?
Es gehört nicht viel Intelligenz zu der Erkenntnis, dass DIE ZEIT das Thema nicht aus dem hohlen Bauch heraus in ihr Blatt bringt (immerhin wählte man erst S.49 dafür!). Das Thema ist bereits da.
Die ewig Markt-Gläubigen sind längst in ihrem Optimismus gedämpft. Der Staat, der nurmehr die Rolle des Auffangens der Verlierer übernehmen sollte ("Nachtwächter"), wird zunehmend auch von den seinerzeitigen Gewinnern angerufen. Spätestens seit ein Herr Ackermann, der sich noch vor kurzer Zeit für alle Freiheit dieser Welt aussprach (einschliesslich seiner eigenen), die Rolle des Staates als Retter für legitim erkannte, ist die Diskussion opportun:
Es funktioniert vielleicht doch nicht.
Zumindest meldet man schon mal Hilfebedarf an, für den Fall, dass es nicht funktioniert, was immer öfter der Fall ist. Nicht, dass es je schon wirklich und für alle funktioniert hätte, gab man sich doch in der Vergangenheit gern der Illusion hin, es könnte zumindest für jene funktionieren, die sich "anstrengen". Seit jedoch die Prediger dieses weltumspannendes Fleisses selbst immer öfter auf die Nase fallen, sind sie froh, dass sie das Konstrukt Staat nicht längst schon abgeschafft haben, wie sie´s zwischendurch - zumindest sich selbst betreffend - gern getan hätten. (Denn natürlich ist es ungeheuer praktisch, sich keiner gesellschaftlichen Verantwortung mehr stellen zu müssen, seit durch HartzIV und eine unternehmensschonende Steuerpolitik ohnedies alle Tore offen stehen.)
Der Kleinverbraucher, Noch-Steuerzahler und Wähler, dem man in der Vergangenheit so dies und das an vermeintlich vernünftigem Verzicht eintrichterte, ist nun immerhin gut dafür, die Suppe auszulöffeln, von der andere den Hals nie voll bekamen ... solange sie noch schmeckte.
DIE ZEIT, um zum Anfang zurück zu kommen, hat nun auch keine Scheu mehr, auf Altvater Marx hinzuweisen, der´s schon vor langer, langer Zeit wusste, dass die Dinge so funktionieren und dabei eben nicht auf Dauer funktionieren können. Weil es nicht in der menschlichen Natur liegt, irgendwann genug zu kriegen und besonders altruistisch zu sein. Wenn ich etwas nicht sehen kann, das Elend der anderen zum Beispiel, schaue ich halt woanders hin. Und da das Kapital sich selbst keinerlei Handlungsschranken auferlegt, darf man auch schon mal vorsichtig darüber nachdenken, ob so ein Staat nicht vielleicht mehr zu tun habe, als den faulen Heilsversprechen zu glauben, die im Falle von Steuer- und anderen Begünstigungen die Schaffung von Arbeitsplätzen verheisst.
DIE ZEIT geht sogar noch weiter und beklagt, dass Konsum nicht alles ist, schon gar nicht mit Freiheit gleichgesetzt werden kann, solange die begeisterten - weil besitzenden - Konsumenten sich ihre Parallelwelt schaffen und alle anderen Werte, die beschlossenermassen das Mensch-Sein ausmachen, dabei den Bach runtergehen.
Während also DIE ZEIT mehr als zaghafte Zweifel an dem anmeldet, was der Grossteil der Welt als richtig, fortschrittlich und zukunftsweisend für sich beschlossen hat, steht Frau Ypsilanti in Hanau vor ihren Genossen und beschwört herauf, was nicht sein kann, weil´s nicht sein darf: Einen Politikauftrag, von Wählern erteilt, der sich aus diesen Grenzen heraus bewegt, obschon er dermaleinst ja irgendwie so im Parteiprogramm stand. Es war der einstige Parteivorsitzende Schröder, der alle Ideen der Sozialdemokratie über Bord und sich selbst den Geldsäcken an den Hals geschmissen hat. Denn wer auch wollte behaupten, dass der Einzelne stärker sein soll als das ganze System? Wenn man die Dinge nur richtig "kommuniziert", kann man in einer Demokratie alles werden, sogar ein Bundeskanzler, der sich hinterher als überschätzt erweist.
Genau diese Demokratie auch ist es, auf die Frau Ypsilanti sich beruft. Der Wähler in Hessen, so liest sie aus den Zahlen, hat sich für eine Rot-Rot-Grüne Politik ausgesprochen. Und diesem Wunsch will sie - wie genau, das weiss sie noch nicht - aber immerhin folgen. Man möge ihr Wortbruch oder was auch immer vorwerfen; es könne jedoch kein Wortbruch sein, die Politik zu machen, die man versprochen habe.
Wir werden Frau Ypsilanti im Auge behalten. Nicht nur, weil sie sich von der Bundesparteizentrale nicht in ihre Politik hineinreden lässt, sondern auch, weil sie - vielleicht - die Zeichen der Zeit besser verstanden hat als manch anderer: Denn es geht tatsächlich nicht um unüberlegte Koalitionsaussagen, sondern um versprochenes politisches Handeln. Vielleicht kann ein Wertewandel in dieser Gesellschaft damit beginnen, Versprechen vor der Wahl nach der Wahl einzuhalten?
erphschwester - 30. Mär, 00:48